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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
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waren hingegen die Gerüchte, welche wissen wollten, dass das Augsburger Handelshaus der Familie Welser kurz vor dem Zusammenbruch stehe. Gemunkelt hatte man schon einige Zeit, dass es um die Finanzen der Welser nicht zum Besten stünde. Wenn ihn sein Gedächtnis nicht trog, war es der junge Graf zu Mangfall-Pechstein gewesen, der ihn als Erster darauf aufmerksam gemacht hatte …
    Hans Krumppers Pläne für die Steinskulpturen, die in einigen Jahren die Westfassade der Münchener Residenz schmücken sollten, waren dagegen geeignet, die Laune des Herzogs wieder zu heben.

    Und gar das fromme Unterfangen Matthias Raders, eine Beschreibung des Lebens der bayerischen Heiligen zu verfassen, Bavaria Sancta genannt, erwärmte das Herz Seiner Durchlaucht aufs Angenehmste. Der gottesfürchtige Rader war dem Vernehmen nach schon eifrig beim Sammeln tugendhafter Handlungen und wunderbarer Begebenheiten, die sich in Bayern zugetragen hatten.
    Der Herzog seufzte und runzelte die rötlichdunkelblonden Brauen. Trotz mancher Erfolge lag ein Schatten über diesem Tag: Es waren erneut mehrere Einzelfälle von Pest bekannt geworden. Das ließ Schlimmeres befürchten und er beschloss schweren Herzens, im Laufe des nächsten Tages München erneut zu verlassen - und dieses Mal für längere Zeit. Die grausige Seuche flößte dem Herzog panische Angst ein.
    Da sonst nichts mehr anstand, beschloss Maximilian, sich zu seiner üblichen leichten Abendmahlzeit, einer abgeschmälzten Brotsuppe oder einer leicht gesalzenen Eierspeise, zu begeben.

KAPITEL 69
    17. Mai 1612, abends beim Herzog in der Residenz
     
    JUST IN DIESEM Augenblick meldete ihm ein Diener, dass ein Mann am Tor der Residenz vorgesprochen habe, mit einem Schreiben, von dem er verlange, es müsse augenblicklich dem Herrn Herzog vorgelegt werden, da es »ungeheuer wichtige Neuigkeiten von enormer Tragweite« beinhalte.
    An jedem anderen Herrscherhof in Europa hätte man den Kerl mitsamt seinem Brief vermutlich hinausgeworfen - zumal
er nur ein simpler Knecht zu sein schien. Aber in der Münchner Residenz wusste auch der niedrigste Domestik, dass Seine Durchlaucht alles zu sehen wünschte, was an ihn gerichtet war. So ließ sich Maximilian auch sofort den Brief überreichen, dessen Verfasser gleich nach der Übergabe verschwunden war.
    Da die Schrift schwierig zu entziffern war, ging der Herzog nahe an seinen fünfarmigen Leuchter heran, um besser sehen zu können. Der Inhalt des Schreibens ließ ihn erst vor Ungläubigkeit erstarren, um ihn danach vor rasender Wut und maßloser Enttäuschung an den Rand eines Schlaganfalls zu befördern.
    Der unbekannte Verfasser - angeblich ein ehemaliger Diener aus dem gräflichen Haushalt derer zu Mangfall-Pechstein - behauptete nichts anderes, als dass »der junge Herr« in Wahrheit ein - Frauenzimmer sei!
    Ein dreistes Weibsbild, welches nunmehr seit einem Jahrzehnt alle Bürger, die Geistlichkeit, den gesamten Hof und nicht zuletzt Seine Durchlaucht, den verehrten Herrn Herzog, zum Narren halte. Ein unverschämtes Luder, das sich frech das Amt eines Geheimen Hofrats erschlichen und sich darüber hinaus die Stellung eines Obersten Kommissars in Hexensachen angemaßt habe! Noch niemals habe es eine solche Impertinenz und zugleich sündhafte Verirrung in Bayern gegeben.
    Scheinheilig fügte der Schreiber am Ende seiner Epistel noch hinzu, er könne es mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, noch länger über diese Ungeheuerlichkeit zu schweigen. Der Herrgott und der gnädige, allerdurchlauchtigste Herzog mögen ihm verzeihen …
    Maximilian zweifelte keinen Augenblick am Wahrheitsgehalt des in holperigem Deutsch verfassten, anonymen Briefes. Er passte zu genau zu den ihm bereits bekannten Tatsachen. Mit einem Mal fügte sich alles zu einem lückenlosen Bild.

    Das war es also gewesen, was die impertinente Person daran gehindert hatte, die Ehe mit seiner schönen jungen Verwandten Maria Sophie einzugehen! Hinter dem schlauen und gewandten Grafen verbarg sich in Wahrheit eine Gräfin ! Dies war ein ungeheuerlicher Skandal, dessen Ausmaße dem Herzog im ersten Augenblick noch gar nicht so ganz bewusst wurden. Er musste sich setzen, denn ein Gefühl der Schwäche ergriff Besitz von ihm.
    Maximilian taumelte leicht, als er zu seinem Stuhl zurückging, und der Diener, der ihm das Schreiben ausgehändigt hatte, rief erschrocken aus: »Befehlen Durchlaucht, dass ich den Hofmedicus rufe? Ihro Durchlaucht sehen leichenblass aus!«
    Das fehlte
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