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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
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aufgetreten, waren die Gassen tatsächlich wie leergefegt. Die Bewohner verkrochen sich ängstlich in ihren Behausungen.
    »So furchtbar das ist, für uns bedeutet es eine Vereinfachung unseres Vorhabens.« Der Gräfin, die zwischen den Vorhängen in die leblose Stadt hinausspähte, war die Erleichterung anzumerken. Jetzt konnten sie mit Sicherheit davon ausgehen, dass sämtliche Männer aus dem Wächterzimmer - neben dem Eingang im Erdgeschoss des Falkenturms - geflohen waren.
    »Der Scharfrichter hat seine Wohnung im zweiten und die Schlafräume im dritten Stock des Turms. Vielleicht haben wir Glück und er bemerkt unser Eindringen überhaupt nicht«, hoffte Alberta, die als wichtigste Person bei Gericht natürlich einen Schlüssel für den Falkenturm besaß.
    »Aber den Krach, den unsere Leute mit den schweren Schmiedehämmern machen werden, wenn sie die eisernen Schellen durchschlagen, mit denen die Ketten an Armen und Beinen der Gefangenen befestigt sind - diesen Lärm wird man auch in den oberen Stockwerken des Gebäudes hören«, gab der Pater zu bedenken. »An den Schlüssel für die Schellen kommen wir nämlich nicht heran, die trägt der Eisenhans stets bei sich.«
    »Warten wir es ab.«
    Alberta hatte mittlerweile ein stoischer Gleichmut erfasst.
Es würde so kommen, wie es Gott gefiel. Sie konnten lediglich hoffen und beten, dass alles gut ausginge …
    Wie es aussah, würde in Kürze ein schweres Frühjahrsgewitter über der Stadt herniedergehen. Der Himmel war gefährlich schwarz geworden, aber es war keineswegs die Nacht, die sich von Osten kommend ausbreitete, sondern dunkel dräuende Wolken drängten sich über das giftig gelbe Firmament. Das sah nach Hagelschlag aus! In der Ferne war Wetterleuchten zu sehen und den Donner konnte man ebenfalls schon hören.

KAPITEL 68
    17. Mai 1612, auf dem Weg zum Falkenturm
     
    ALS SIE EBEN das Mangfall’sche Palais durch das große Hoftor verlassen wollten, ging das Unwetter schlagartig los. Es blitzte und krachte so heftig, dass die Pferde und das Maultier vor Angst wieherten, mit den Augen rollten und anfangs den Gehorsam zu verweigern suchten.
    Aber der Knecht stammte von einem Bauernhof und es gelang ihm sofort, des Kutschpferds Liese wie des Maultiers Berta Herr zu werden; für Gräfin Alberta zahlte es sich aus, dass sie von frühester Jugend an eine ausgezeichnete Reiterin war. Der Braune versuchte zwar zu steigen und mit den Vorderhufen auszuschlagen, aber sie vermochte ihn zu bändigen und beruhigend auf das Tier einzuwirken, so dass es gleich darauf lammfromm durch den Torbogen des gräflichen Anwesens tänzelte und hinaus auf die menschenleere Gasse trat.
    Der Knecht auf dem Bock - mit Pater Winfried an seiner
Seite - schnalzte mit der Zunge und mit einem kurzen »Hüah!« hatte auch er es geschafft, seinen Karren auf die Straße zu bringen. In diesem Augenblick öffnete der Himmel seine Schleusen und ein regelrechter Sturzbach ging von oben auf das Grüppchen nieder. In ein paar Sekunden waren alle bis auf die Haut durchnässt.
    Der Bock war zwar teilweise überdacht, aber der Regen kam von vorne und dem Knecht nützte seine Mütze nicht viel - genauso wenig wie dem Pater die Kapuze seiner Kutte. Die Sturmlaterne - oben an der Querstrebe angebracht und wie wild hin- und herschaukelnd - spendete nur dürftiges Licht, aber immerhin taten sie sich damit leichter, den richtigen Weg in der Finsternis zu finden.
    Alberta trug ein ledernes Wams und eine lederne Kappe, die eng den Kopf umschloss. Aber das Wasser lief der jungen Frau in die Augen und in den Kragen und auch sie war in Kürze durch und durch nass. Nur im Schritttempo kamen sie voran. Der Regen fiel teilweise so dicht, dass er ihnen wie ein Vorhang aus Wasser erschien und ohne die Laterne wären sie nicht nur einmal im Graben gelandet oder in einer der zahlreichen Baugruben Münchens.
    Das Regenwasser schoss in der Schmutzrinne inmitten der Gasse nur so dahin. Der Kutscher fluchte gotteslästerlich, als er es gerade noch geschafft hatte, Berta, das Maultier, daran zu hindern, in eine riesige Pfütze zu treten, von der niemand wissen konnte, wie tief sie in Wahrheit war.
    »Das tät’ uns g’rad noch fehlen, dass sich eins der Viecher in so einem Loch den Hax’n bricht«, schimpfte der Bursche laut, um gegenüber dem Pater sein Fluchen zu rechtfertigen. Aber den trieben genug andere Sorgen um, als dass er Zeit und Muße gehabt hätte, sich um den unchristlichen Groll des Kutschers zu
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