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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
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noch! Unwirsch winkte der Herzog ab und der dienstbare Geist zog sich eingeschüchtert zurück. Maximilian musste in aller Ruhe über die kompromittierende Wahrheit und ihre Konsequenzen nachdenken. Und er wusste bereits einen, der ihm Hilfestellung dabei leisten müsste. Ungeduldig zog der Fürst an dem Glockenstrang, der den soeben unfreundlich verscheuchten Diener in sein Arbeitszimmer zurückbeorderte. »Hole Er mir ohne Säumen meinen Beichtvater, den hochwürdigen Pater Contzen«, befahl der Herzog und der Mann überstürzte sich fast, als er davoneilte.
     
    Nur im Schneckentempo kam das Grüppchen um Gräfin Alberta in der Dunkelheit voran und näherte sich dem Falkenturm. Wie gebannt starrten alle durch den Gewitterregen, der mittlerweile ein wenig nachgelassen hatte. Den Turm samt Eingang konnten sie bereits erspähen.
    Doch was war das? Der Knecht zügelte sein ungleiches Gespann und brachte den Karren zum Stehen. Alberta blinzelte und strengte ihre Augen noch mehr an, um die nur von der
winzigen Laterne notdürftig erhellte Finsternis zu durchdringen. Narrten sie ihre Sinne?
    Nein! Das Tor des Gefängnisturms hatte sich in der Tat geöffnet und die Person, die aus dem Gebäude rannte, ließ es sperrangelweit offenstehen. Es dauerte einen Augenblick, dann erkannte die Gräfin den breiten, hochgewachsenen Mann, der so eilig aus dem Falkenturm gelaufen kam. Kein anderer als der »Eisenhans« war es, mit mehreren Planen über dem Arm - eine davon warf er im Laufen über sich -, der im Sturmschritt durch die hochaufspritzenden Wasserpfützen stapfte. Zum Glück lief er in die andere, ihnen entgegengesetzte Richtung.
    Der Benediktiner hatte Hans Bürgler ebenfalls erkannt: Aufgeregt deutete er nach vorne und zuckte dabei ratlos mit den Schultern. Als er Alberta im schwachen Lichtschein lächeln sah, verzog auch er sein hageres Gesicht zu einem Grinsen. Den bärenstarken Scharfrichter hatten sie schon einmal nicht zum Gegner! Und die Tatsache, dass niemand das schwere Tor hinter ihm schloss, bewies den glücklichen Umstand, dass sich anscheinend kein einziger Wachtposten im Falkenturm aufhielt.
    So viel Glück war direkt unheimlich. Wohin rannte der Eisenmeister nur? Vielleicht lief er seiner Frau und seinen Kindern entgegen, die irgendwo in der Stadt vom Gewitterregen überrascht worden waren. Das würde auch erklären, weshalb Bürgler die Decken mit sich schleppte.
    »Vorwärts! Los!«, kommandierte der Pater gedämpft und der Knecht machte wiederum »Hüah!« Das Ross Liese und das brave Maultier Berta zogen gewaltig an und stampften der Gräfin, die ihren Braunen angetrieben hatte, hinterher. Kurz darauf hielten sie vor dem berüchtigten Gebäude an.
    »Vom Eisenhans ist nichts zu sehen«, sagte der Benediktiner
aufatmend. »Da werden wir im Nu fertig sein.« Er und Alberta zupften an den regennassen Planen auf dem Karren und forderten die beiden Knechte leise auf, vom Wagen herunterzuklettern. Das ließen die sich nicht zweimal sagen!
    »Mia ham scho’ Angst g’habt, dass mir unter dene Planen dersaufen miassn«, murmelte einer. Das war freilich Unsinn: Die mit Wachs beschichteten Decken dienten ja gerade dem Abhalten von Regenwasser.
    Da man keine Zeit mit der Werkzeugbeschaffung im Kerker verschwenden wollte - Bürgler räumte sein Handwerkszeug immer in eine Truhe mit Vorhängeschloss -, hielt jeder der beiden einen schweren Schmiedehammer in der Faust, während Alberta Degen und Dolch bei sich trug, falls es tatsächlich zu einem Kampf käme - was Gott verhüten mochte.
    Den Kutscher und den Mönch ließ man derweil auf dem Bock sitzen. Es war wichtig, dass sich alle so schnell wie möglich aus dem Staub machen konnten, sobald die Frauen aus dem Kerker befreit waren.
    Das Lösen der Schellen war »ein Kinderspiel«, wie die zwei Knechte hinterher berichteten. Mit jeweils ein paar wuchtigen Hammerschlägen, die wie das Donnergrollen im Gewittersturm klangen und daher überhaupt nicht auffielen, hatten sie die zu Tode geängstigten Frauen von ihren Ketten losgemacht. Die konnten ihr Glück erst gar nicht fassen. Aber schnell hatten sie begriffen, dass ihnen ganz unverhofft die Freiheit winkte.
    Und da man bisher weder die alte Gerlinde noch ihre Enkeltochter Heidrun der Tortur unterzogen hatte, waren sie auch imstande, selbstständig aus ihren muffigen Kerkerlöchern die ausgetretenen Treppenstufen hochzusteigen und den Falkenturm hinter sich zu lassen. Nur als es ans Hineinklettern in den Karren ging,
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