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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
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mussten die Knechte nachhelfen.

    »Pfoten weg!«, schalt Heidrun, die junge »Hexe«, aber sie lachte dabei. Einer der Knechte hatte sie wohl ein wenig »zu intim« angefasst, als er sie auf den »Pestwagen« hinaufhob. In Windeseile waren die Gefangenen sicher unter den gewachsten Planen verstaut - zusammen mit den beiden männlichen Helfern.
    »Ihr haltet Eure Hände bei Euch, bitt’ ich mir aus, gell!«, ermahnte der Pater die jungen Kerle noch, ehe er die Decken über die Frauen, die sich eng an die feixenden Burschen drücken mussten, breitete. Wiederum drapierten er und die Gräfin das Handwerkszeug für die anstehende »Beerdigung« obenauf und los ging es in Richtung Isartor.
    Dass der Sturzbach, der sich sintflutartig vom Himmel herab ergossen hatte, die weißen Kreuze auf den Seiten des Karrens nicht abgewaschen hatte, davon überzeugte sich Alberta vorsichtshalber noch schnell. Die gesamte Inszenierung wirkte nach ihrer und des Paters Ansicht ausgesprochen überzeugend …
     
    Gelassen sah sie dem Kommenden entgegen; das Schlimmste wähnte sie bereits überstanden: Der Henker und seine Familie waren ihnen nicht in die Quere gekommen und von den Wächtern hatte sich auch keiner blicken lassen. Es war nicht zum Kampf gekommen, die Frauen schienen in relativ guter Verfassung zu sein und die Straßen waren gähnend leer.

KAPITEL 70
    17. Mai 1612, um 10 Uhr nachts in der Residenz
     
    DASS DER TRAUM von ihrer Flucht so schnell zu Ende ginge und sie am selben Abend noch ausgerechnet dem Mann gegenüberstünde, vor dem sie eigentlich hatte fliehen wollen - damit hatte die junge Gräfin nun wahrlich nicht gerechnet.
    Wie eine arme Sünderin verharrte Alberta nur kurz nach der erfolgreichen Stürmung des Falkenturms vor dem Herzog, der sich sichtlich schwertat, seinen maßlosen Zorn zu bezähmen.
    Die Gräfin begriff das Ganze immer noch nicht so recht. Relativ unbeschwert hatte man sich dem östlichen Stadttor genähert, das die Brücke über die Isar sicherte.
    Das Unwetter hörte so plötzlich auf, wie es begonnen hatte; Blitz und Donner hatten sich nach Westen - in Richtung Galgenberg - verzogen. Von dort war noch hin und wieder ein dumpfes Grollen zu hören und sooft Alberta sich umwandte, um nach etwaigen Verfolgern auszuspähen, konnte sie nur fernes Wetterleuchten sehen.
    »Glei’ san mir drüben über der Isar, Pater«, sagte der Fuhrknecht zu Pater Winfried. »So Gott will«, antwortete der Benediktiner und bekreuzigte sich. »Dann fahren wir den Gasteigberg hoch und schlagen pro forma die Richtung zum Pestfriedhof ein. Aber kurz davor - in der für die Wächter vom Stadttor aus uneinsehbaren Senke - biegen wir ab in Richtung Süden, ehe wir nach etwa einer Stunde den Schlenker zum Chiemsee vollführen.«
    Der Kutscher erwiderte nichts darauf. Diese Vorgehensweise war schon hundertmal durchgekaut worden und der
Bursche begnügte sich mit einem Nicken. Er wusste schon, was er zu tun hatte.
    Obwohl die beiden Pferde, das Maultier und der Pestkarren auf den unebenen Steinplatten auf dem Zufahrtsweg zum Isartor eine Menge Lärm erzeugten, rührte sich am Tor gar nichts. Lediglich ein schwacher Lichtschein, der aus einer winzigen Luke im Erdgeschoss des Turms drang, bezeugte, dass überhaupt jemand da war.
    »Brrr!«, machte der Fuhrmann übertrieben laut und zog die Zügel des Gespanns an, nachdem auch die Gräfin ihr Pferd zum Stehen gebracht hatte.
    »Aufmachen!«, rief Alberta unwillig. »Ist denn hier keiner da? Himmelherrgott! Kaum fallen ein paar Regentropfen, verkriechen sich die Stadtwächter wie die Ratten in ihrem Bau! Was täten die wohl, wenn wirklich ein Feind käme? Schöne Wachsoldaten!«
    Endlich öffnete sich seitlich ein kleiner Einlass und ein junger Soldat mit einer Lanze in der rechten Hand und einer Laterne in der linken schlurfte heraus. »Komm’ ja schon, gnädiger Herr!«, beeilte er sich zu sagen. Als er den Mönch neben dem Kutscher bemerkte, bekreuzigte er sich. »Gelobt sei Jesus Christus, Vater!«
    Albertas scharfen Augen entging nicht - obwohl der Wächter bemüht war, die Tür mit dem Fuß sofort hinter sich zuzuschlagen -, dass sich im Innern der Wachstube mindestens noch zwei junge Dirnen, vermutlich Hübschlerinnen, aufhielten. Wenn das der Herzog wüsste!
    »Wahrscheinlich würden die Kerle geltend machen, aus christlicher Nächstenliebe hätten sie die Mädchen doch nicht im Gewitter draußen stehen lassen können …«, dachte die Gräfin und unterdrückte ein
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