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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
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kümmern.

    So weit es die Gräfin, die sich mit ihrem Braunen dicht bei dem Gespann hielt, erkennen konnte, wurden sie von niemandem beobachtet: Die Münchner hatten sich wie Mäuse in ihre Löcher verzogen. Und falls sie doch jemandem begegneten, würde der sofort Reißaus nehmen - dafür hatte sie mit einer List gesorgt: Mit eigener Hand hatte sie mit weißer Farbe den Wagen hinten und auf beiden Seiten mit einem Kreuz als »Pestkarren« gekennzeichnet.
    So konnte sie davon ausgehen, dass auch der ewissenhafteste Wachsoldat respektvoll Abstand hielte. Auch die beiden Knechte, die im Wagen unter einem Haufen Planen und Decken lagen, durften sich sicher fühlen. Wer schaute sich schon gerne Pesttote aus der Nähe an?
    Wenn alles gutginge, würden die zwei befreiten Frauen bald ebenfalls auf dem Karrenboden unter den Tüchern liegen - so lange, bis man von der Stadt genügend Abstand gewonnen hätte.
    Dies war im Augenblick der einzig mögliche Weg, um aus München hinauszugelangen: Alberta würde am Isartor vor den Wächtern behaupten, sie habe vier in ihrem Haushalt an der Seuche Verstorbene auf dem neu angelegten Pestfriedhof am Gasteig zu verscharren. Sie und ihr mutiger Knecht, der den Wagen lenke, würden das Begraben übernehmen.
    Dabei würde sie auf die beiden auf dem Deckenhaufen liegenden Spaten und die zwei Schaufeln deuten; den Pater hätte sie mitgenommen, weil dieser sich bereiterklärt habe, für die Toten am Grab ein Gebet zu sprechen.
    Das klang alles sehr einleuchtend und die kleine Gruppe der »Verschwörer« war durchaus zuversichtlich, dass es mit dieser dreisten Lüge gelingen würde, einer Durchsuchung des Karrens zu entgehen.
    Vorsorglich hatte der Benediktiner die Knechte, die auf dem
Karrenboden lagerten, mit Reispuder bleich geschminkt und sie danach mit schwarzen Rußflecken im Gesicht »bemalt«. Von den Frauen nahmen sie an, dass deren blasse Gesichter ohnehin vor Schmutz starrten.
     
     
     
    17. Mai 1612, zur gleichen Zeit beim Herzog in der Residenz
     
    Der bayerische Landesfürst ahnte von alldem nichts. Im Großen und Ganzen war der Herzog mit dem heutigen Tag zufrieden. Er hatte es sich seit Beginn seiner Regierung zur Pflicht gemacht, jeden Abend vor dem Schlafengehen die Ereignisse des vergangenen Tages Revue passieren zu lassen.
    Selbstverständlich war er nach wie vor zutiefst verärgert und enttäuscht über die Tatsache, dass aus der Hochzeit des Grafen zu Mangfall-Pechstein mit Maria Sophie, der illegitimen Tochter seines Vetters Ferdinand, nichts werden sollte. Den Grund hatte ihm sein langjähriger Beichtvater, Pater Contzen, natürlich nicht verraten, da er angeblich in der Beichte von Tatsachen erfahren haben wollte, die eine Heirat der beiden jungen Leute unmöglich machten.
    Für das Scheitern seiner Pläne machte Maximilian ohne weiteres den jungen Grafen verantwortlich. Dessen Begeisterung, bald Bräutigam und Ehemann zu sein, war ihm, als er genauer darüber nachsann, ein wenig dürftig erschienen. Und dennoch …
    »Möglicherweise war ich ungerecht und habe den jungen Herrn zu Unrecht so ungnädig behandelt«, dachte der Herzog ein wenig reuevoll. »Vielleicht hat er ja wirklich gute Gründe, keine Ehe eingehen zu wollen.«
    Gleich darauf widmete sich der Fürst anderen - erfreulicheren - Dingen. Die Baumaßnahmen im Hofgarten zu München
schritten zügig voran, desgleichen diejenigen an der Residenz. Vor allem der Fassadenschmuck an der Längsseite, wo sich auch der Haupteingang befand, würde nach seiner Fertigstellung seinesgleichen suchen. Und die Pläne für den Gartentempel hatten den Herzog geradezu entzückt. Besonders die von Hubert Gerhard entworfene Figur der Patrona Bavaria, welche als Bekrönung des Tempelchens dienen sollte, hatte sein Wohlgefallen gefunden.
    Aus Bamberg hatte ihn ebenfalls frohe Kunde erreicht. Die dortige altehrwürdige Michaelskirche, im Jahre 1021 in Anwesenheit des damaligen Kaisers Heinrich II. eingeweiht, war im Jahr 1610 niedergebrannt und innerhalb weniger Jahre neu aufgebaut worden.
    Als große Besonderheit sollte das Gewölbe des mächtigen Gotteshauses nicht mit Sternen oder biblischen Szenen, sondern mit sechshundert verschiedenen Arten von Blumen ausgemalt werden. Die genauen Pläne hatte man dem Herzog von Bayern vorab zugesandt und Maximilian war begeistert von dieser Idee, etwas von Gottes wunderschöner Natur in eine Kirche hineinzutragen. In etwa zwei Jahren würden die Arbeiten abgeschlossen sein.
    Unerfreulich
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