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Die Hexe

Die Hexe

Titel: Die Hexe
Autoren: Vadim Panov
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glänzende Zukunft prophezeit.
    »Ich bin sicher, dass es Ihnen gelingen wird, die Interessen Ihres Herrscherhauses zu wahren, Frederic.« Der Blick ihrer smaragdgrünen Augen verharrte nur kurz auf dem alten Magier und wanderte dann zum dritten Gesprächspartner weiter. »Und was halten Sie von der Sache, Kommissar? Die Schatyren sind schließlich Ihre Vasallen.«
    »Der Dunkle Hof hat schon vor dreitausend Jahren damit aufgehört, den Karawanen der Handelsgilde Geleitschutz zu gewähren. Damals sank eines ihrer Frachtschiffe während eines Orkans und die Schatyren wollten uns ernsthaft die Schuld dafür in die Schuhe schieben. Der Fall ist bis heute noch nicht geklärt. Die Handelsgilde fordert nach wie vor Schadensersatz von uns.«
    Der dritte und letzte Gesprächspartner, ein großgewachsener Mann in einem noblen grauen Anzug, passte überhaupt nicht ins Bild der auf dem Sucharew-Platz versammelten Menschenmenge. Das sorgfältig zurückgekämmte Haar, das markante Profil, die tief sitzenden schwarzen Augen, das selbstbewusste Auftreten und die erstaunliche Souveränität, die aus jeder seiner Gesten sprach, erregten die Aufmerksamkeit der Umstehenden. Der elegante Schlacks rief den unter den Kommunisten in Vergessenheit geratenen Begriff Dandy ins Gedächtnis zurück und selbst sein Wagen – ein in ganz Moskau einzigartiges Sportcoupé mit rasant geschwungener Karosserie – gab zu erkennen, dass er mit dem im Imperium üblichen Grau in Grau nichts am Hut hatte. Santiago, der Kommissar des Dunklen Hofs und ranghöchster Kriegsmagier des Herrscherhauses Naw, dachte überhaupt nicht daran, von Gewohnheiten Abstand zu nehmen, die wesentlich älter waren als die Ideologie des Kommunismus.
    »Sagen Sie, Kommissar«, wandte sich abermals Susanna an ihn, »glauben Sie wirklich an diese Geschichten, die man sich über den Sucharew-Turm erzählt?«
    »An welche Geschichten denken Sie denn konkret, verehrte Fate?«, erwiderte Santiago lächelnd. »Erlauben Sie mir, Sie so anzusprechen?«
    »Aber gewiss doch, Kommissar.«
    Susannas riesige grüne Augen taxierten den Nawen von Kopf bis Fuß. Der Kommissar des Dunklen Hofs erfreute sich nicht gerade großer Beliebtheit in der Verborgenen Stadt. In den anderen Herrscherhäusern wurde er bestenfalls respektiert, doch im Normalfall gefürchtet und gehasst. Die junge Fate traf Santiago an diesem Tag zum ersten Mal persönlich und zu ihrer Überraschung fand sie den schlechten Leumund des Kommissars in keinster Weise bestätigt. Dieser gepflegte und scharfsinnige Mann machte nicht den Eindruck, als sei er die Inkarnation des Bösen.
    »Vielen Dank«, nickte der Naw. »Welche Gerüchte meinten Sie also, verehrte Fate?«
    »Zum Beispiel das vom Schwarzen Buch.«
    »Aber deswegen sind wir doch hier«, entgegnete der Kommissar. »Ob es nun Gerüchte sind oder nicht – als ich bekanntgab, dass es mir gelungen sei, die Kommunisten zum Abriss des Turms zu überreden, haben es alle drei Herrscherhäuser für nötig befunden, Beobachter zu entsenden.«
    »Die Geschichte hat uns gelehrt, Gerüchte nicht von vorneherein zu verwerfen«, sagte Susanna nachdenklich. »Doch ob dieses Gerede über das Schwarze Buch tatsächlich eine reale Grundlage hat? Ich kann, ehrlich gesagt, nicht recht glauben, dass es unter den Humos fähige Zauberer geben sollte.«
    »Da haben Sie auch vollkommen Recht«, warf de Lieu beflissen ein. Der alte Magier war ein wenig verstimmt darüber, dass die hübsche Fate dem hochaufgeschossenen Nawen mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihm. »In der Magie werden die Humos niemals ein anständiges Niveau erreichen. Sie entfernen sich immer weiter von ihren Wurzeln und ihre Zivilisation beschreitet einen völlig anderen Weg.«
    »Ich würde das nicht ganz so kategorisch sehen«, widersprach der Kommissar diplomatisch. »Die generelle Entwicklung der menschlichen Zivilisation schließt nicht aus, dass die Humos in Einzelfällen durchaus mächtige Zauberer hervorbringen, denn wie Sie richtig angemerkt haben, verfügen sie über entsprechende Wurzeln. Jacob Bruce ist ein gutes Beispiel für diese Theorie. Doch abgesehen davon sprechen wir hier über etwas völlig anderes, nämlich über das Wissen, das den Humos in der Vergangenheit zur Verfügung stand. Es ist uns bis heute nicht gelungen, die von ihnen versteckte Bibliothek Iwan des Schrecklichen zu finden, und nach unseren Erkenntnissen enthält diese Bibliothek die Schriften der Assuren, der ersten Zivilisation der
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