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Die Hexe

Die Hexe

Titel: Die Hexe
Autoren: Vadim Panov
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für das, wovon wir gerade gesprochen haben, Frederic. Mit ihrer Gewaltideologie haben die Kommunisten die Atmosphäre so vergiftet, dass sie sich nicht einmal untereinander vertrauen. Sehen Sie, die NKWDler schützen Kaganowitsch vor dem Volk, die Leibwächter wiederum schützen ihn vor den NKWDlern, denn es könnte ja sein, dass sich ein Attentäter unter ihnen befindet, den ihm ein Parteifreund an den Hals gehetzt hat.«
    »Der Selbsterhaltungstrieb«, kommentierte Susanna achselzuckend.
    »Absolut«, bestätigte der Kommissar. »Trotzdem ist es kompletter Nonsens, eine Zivilisation auf Instinkten aufzubauen.«
    »Da haben Sie Recht.«
    »Das ist ja noch gar nichts!«, flocht der Kriegsmeister ein. »Ich kenne einen Kommunisten, einen gewissen Jakir, der verlässt sich ausschließlich auf chinesische Söldner. Die sprechen kein Wort Russisch und deshalb baut er darauf, dass die Schlitzaugen sich mit keinem von seinen Feinden gegen ihn verschwören können.«
    Ein scheppernder Bass aus dem Hintergrund unterbrach die gediegene Unterhaltung: »Erlauben Sie, Meldung zu machen?«
    Die Gesprächspartner wandten sich um.
    »Innerhalb der letzten fünf Minuten konnten keinerlei magische Aktivitäten im Bereich des Turms festgestellt werden«, berichtete Franz de Geer, ein breitschultriger rothaariger Mann in Armeeuniform. Gerüchten zufolge war dieser fähige und talentierte Kriegskommandeur als Nachfolger von Frederic de Lieu für den Posten des Kriegsmeisters vorgesehen.
    »Setzen Sie Ihre Patrouillengänge fort, Franz«, ordnete Santiago an, den die Herrscherhäuser mit der Leitung der Operation betraut hatten. »Und melden Sie unverzüglich auch minimalste Anzeichen für die Freisetzung magischer Energie. Ortega, sind Sie noch bei Kräften?«
    Der Naw, der ebenfalls zur Patrouille gehörte, nickte abwesend mit dem Kopf. Er war völlig darauf konzentriert, die Umgebung auf mögliche Impulse magischer Energie zu scannen.
    »Denken Sie daran, Franz«, mahnte Frederic, »jeder Magier, der es sich einfallen lässt, in der Nähe des Turms irgendwelche Zauber zu wirken, ist sofort festzunehmen. «
    Diese Belehrung durfte sich der Kriegskommandeur jedes Mal anhören, wenn die Patrouille an den Beobachtern der Herrscherhäuser vorbeikam, und jedes Mal hatte er dieselbe Antwort parat.
    »Verstanden, Kriegsmeister. Gestatten Sie, den Patrouillengang fortzusetzen?«
    Frederic de Lieu neigte zustimmend das Haupt.
     
    »Du solltest nicht so glotzen, Mädchen«, empfahl der Einarmige in dem verwaschenen Feldhemd. »Das mögen die Blauen überhaupt nicht.«
    »Ich glotze doch gar nicht.« Kara zupfte verlegen ihr Kopftuch zurecht und sah den Invaliden treuherzig an. »Warum haben die Soldaten das Haus denn umstellt?«
    »Das Haus …«, wiederholte der Einarmige und schüttelte in milder Entrüstung den Kopf. »Von wo hat es dich denn hierher verschlagen?«
    »Ich bin aus Twer.« Bevor Kara zum Sucharew-Platz aufbrach, hatte sie sich regelrecht verkleidet. Mit dem wärmenden Kopftuch, dem breiten Rock und dem unförmigen Mantel ging sie ohne weiteres als naives Provinzmädel durch. »Ich arbeite schon seit einer Woche als Hausangestellte bei den Genossen Marzipanski, in der Roshdestwenka-Straße.«
    »So so, du arbeitest hier.« Der Einarmige drehte sich mit erstaunlichem Geschick eine Zigarette. »Das ist kein Haus, du Twerer Dummerchen, sondern unser berühmter Turm. Der Sucharew-Turm.«
    »Und wieso ist er berühmt?«
    Kara kannte die Geschichte des Turms wesentlich besser als der Invalide, doch nun musste sie ihre Rolle bis zu Ende spielen.
    »Peter der Große hat ihn erbaut.« Der Mann inhalierte tief und blies eine dicke Wolke übel stinkenden Rauchs in die Luft. »Der Zar hat Moskau nicht besonders gemocht. Trotzdem hat er diesen schönen Turm hier gebaut und einen Zauberer hineingesetzt.«
    »Einen Zauberer?!«, staunte Kara.
    »Einen Zauberer«, wiederholte der Einarmige und nickte energisch mit dem Kopf. »Einen schottischen Astrologen. Und er hat ihm streng befohlen, das Land vor teuflischen Plagen zu beschützen.«
    »Was erzählst du denn da für Märchen«, mischte sich der glatzköpfige Greis ein. »Dein Schotte, Jakob Bruce, hatte sich mit dem Bösen gemeingemacht. Deswegen lebte er auch in Moskau und nicht in St. Petersburg. Und dem Zaren hat er gedient, um seine Sünden abzugelten. Der Turm war sein Gefängnis, und wenn sie ihn abreißen, wird der Geist des Zauberers befreit.« Der Greis senkte die Stimme.
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