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Die Hexe

Die Hexe

Titel: Die Hexe
Autoren: Vadim Panov
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Susanna ein. »Kommissar, wie ist es Ihnen eigentlich gelungen, die Humo-Führer zur Zerstörung des Turms zu überreden?«
    »Ach, das war gar nicht schwer«, erklärte Santiago. »Die Kommunisten empfinden einen so unvorstellbaren Hass gegenüber den Errungenschaften der Vergangenheit, dass es dazu keiner besonderen Überredungskünste bedurfte. Unter dem vorhergehenden Regime wäre das völlig undenkbar gewesen.«
    »Jaja, es gibt eben solche und solche Humos«, räsonierte die Fate.
    »Sind Sie wirklich der Meinung, dass man die Kommunisten als Humos bezeichnen kann?«, fragte der Kommissar.
    »Die Erli haben physiologische Studien an Leichen vorgenommen«, warf Frederic de Lieu ein. »Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass der Organismus eines Kommunisten sich nicht wesentlich vom Organismus eines gewöhnlichen Humos unterscheidet. Auf eine detaillierte Untersuchung des Gehirns haben sie allerdings verzichtet.«
    »Das ist primitiv«, urteilte Susanna und rümpfte ihre kleine, süße Nase. »Santiago hat auf etwas völlig anderes angespielt.«
    »Ganz recht, verehrte Fate«, bestätigte der Kommissar. »Sie müssen doch zugeben, Frederic, dass es ausgesprochen schwerfällt, jemanden einen Humo zu nennen, dem sämtliche ethisch-moralischen Prinzipien, die sich in einer Gesellschaft herausgebildet haben, zutiefst zuwider sind. Jemanden, dem nichts Hergebrachtes heilig ist: keine Erfahrung, kein Verbot, kein Gesetz. Jemanden, dessen Beziehungen zu seinen Volksgenossen einschließlich Gleichgesinnter ausschließlich auf Hass gründen.«
    »Warum sind die Humos dann unter das Joch dieser widerwärtigen Subjekte geraten?«, fragte de Lieu. »Herrschen denn nicht die Klügsten?«
    »Es herrschen die Klügsten oder die Mächtigsten. Wir beide haben schon mehr als eine Gesellschaft erlebt, die vornehmlich auf Hass und Gewalt aufgebaut war. Und mit den Kommunisten ist es dasselbe. Die brutale Skrupellosigkeit, mit der sie die Macht erobert haben, hat ihre Wirkung nicht verfehlt.«
    »Mit einem Bajonett kann man alles Mögliche machen, aber nicht darauf sitzen«, wandte de Lieu philosophisch ein.
    »Ganz recht, die Kommunisten haben auch gar nicht vor, darauf zu sitzen. Ihr Regime beruht auf fortwährendem Terror, nach dem Motto: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Zuerst haben sie ihre unmittelbaren Feinde vernichtet und sich dann jene Schichten vorgenommen, die über Intelligenz und Selbstachtung verfügen. Ein Volk, das seiner Elite beraubt wird, verändert sich, es degeneriert und versucht den ständigen Terror durch sklavischen Gehorsam abzumildern – aus reinem Selbsterhaltungstrieb. Für die Kommunisten kommt es nur darauf an, sich so lange an der Macht zu halten, bis sie den aktivsten Teil der Bevölkerung liquidiert haben.«
    »Glauben Sie, dass sie das schaffen?«
    »Die Zeit wird es zeigen. Entweder der Plan der Kommunisten geht auf, oder sie werden demnächst an Laternenmasten baumeln.«
    »Ich glaube, wir bekommen Besuch«, verkündete de Lieu.
    Santiago wandte sich um und machte ein wegwerfende Handbewegung: »Nicht der Rede wert, Frederic, das ist nur Kaganowitsch, der städtische Parteibonze. Laut unserer Vereinbarung ist er für die ideologische Unterfütterung des Projekts verantwortlich und muss sich deshalb hier sehen lassen.«
    »Wozu soll denn diese ideologische Unterfütterung gut sein?«, wunderte sich Susanna.
    Der Kommissar runzelte die Stirn: »Der Dunkle Hof hat nicht die Absicht, vor künftigen Humo-Generationen für den Abriss des Turms geradezustehen. Sie sollen lieber diejenigen verfluchen, die wir dafür bezahlt haben.«
    »Übertrieben weitsichtig«, urteilte de Lieu. »Bislang haben die Humos nicht die leiseste Ahnung von der Existenz des Dunklen Hofs, noch nicht einmal von der Existenz der Verborgenen Stadt.«
    »Mag sein«, entgegnete Santiago ernst. »Aber früher oder später könnte sich das ändern.«
    Dem von den NKWDlern umstellten Turm näherte sich eine überlange, blitzblank gewienerte Limousine, auf deren Trittbrettern sich hünenhafte Leibwächter drängten. Als der Wagen zum Stehen kam, sprangen aus Begleitfahrzeugen zusätzliche Leibwächter herbei und umringten den schnauzbärtigen Mann, der aus der Limousine kletterte. Ein Reservezug von NKWDlern bildete einen zweiten Schutzgürtel um Kaganowitsch, um den geliebten Parteiführer gegen das unberechenbare Stadtvolk abzuschirmen.
    Santiago verzog das Gesicht zu einem verächtlichen Grinsen: »Ein anschauliches Beispiel
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