Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Roswitha Hedrun
Vom Netzwerk:
später zeigt der Spiegel wieder nichts als seine funkelnden Prismen. Nach einer kurzen Pause fragt der Falke die Frauen, ob sie bereit seien, sich nun einem amüsanten Part zu zuwenden, nämlich die zwei Burschen Waldur und Chlodwig kennen zulernen. Sie stimmen eifrig zu, worauf er fortfährt:
„Blicken wir jetzt sieben Monde weiter, in den Hornung des Jahres 479.
    D icker Schnee bedeckte Bäume und Erde, als die beiden damals Dreizehnjährigen, Waldur zwei Monde älter als Chlodwig, nahe Frowang im Taunus herumstrolchten.“
Im Nu ist das Kristall milchig weiß, und es faucht in ihm auf. Aus dem Weiß bilden sich schnell herumwirbelnde Schneeflocken, und das Fauchen erweist sich als ein durch das Gebirge fegender Wind. Allmählich beruhigt sich jedoch das Schneetreiben, und die Betrachterinnen bekommen einen geheimnisvollen Berg vor Augen.
„Der Altkönig mit seinem knorrigen Märchenwald“, beginnt der Falke wieder seine Beschreibung. „Auf diesem Berg war das Wirken der Naturgeister, der Alben, die den damaligen Menschen so viel bedeuteten, besonders ausgeprägt, selbst jetzt im Winter, was man anderenorts selten fand. Jedenfalls strich hier durch das Geäst oder zwischen den mächtigen Baumstämmen immer mal wieder ein emsiger Waldalb. Einige Menschen, so auch Waldur, standen mit diesen Ätherwesen auf du und du, sie unterhielten sich zuweilen sogar mit ihnen, aber es gab auch andere, die sich vor dem für sie zwar unsicht-, jedoch deutlich fühlbaren Treiben nur gruselten.
Ging man den Altkönig weiter hinauf, so wurde der Wald lichter, und auf dem fast kahlen Gipfel fand man schließlich kreisförmig angeordnete Kultsteine, eine magische Dingstätte für hohe Gelöbnisse. Und hier entdecken wir sie jetzt, die beiden dick in Felle vermummten Knaben. Respektlos hockten sie mitten in dem Zauberkreis und knallten Feuersteine aneinander, um ein vor ihnen aufgeschichtetes Reisighäufchen in Brand zu setzen. Das aber wollte und wollte kein Feuer fangen, weshalb einer wütender fluchte als der andere. - Ah, jetzt nahmen sie ihre Mützen vom Kopf, um mit ihnen den Wind abzuschirmen.“
In dem Moment wird Bärbel unruhig, weshalb der Falke sie anspricht: „Du hältst den Größeren, den mit diesen weißblonden Wuschellocken für Hilibrand, wie?“
„Ja.“
„Nein, Barbara, das war Waldur. In diesen jungen Jahren hattest du die Burschen auch noch nicht gekannt, da hattest du noch in Miltenberg bei deinem Vater gewohnt.“
Darauf wird Bärbel verlegen - immer diese Aufregung, wenn sie Hilibrand vermutet!
Der Falke übersieht es taktvoll und berichtet weiter: „Na seht, endlich züngelten ein paar Flämmchen empor. Die Burschen bauten sich flugs beidseitig der Brandstelle auf und nahmen, rechte Hand aufs Herz, eine stolze Ratsherrenhaltung ein. Sodann trug Chlodwig in seinem diesmal ordentlich von Pathos gefärbten Frankendialekt vor: ‚Höre, mon ami und Blutsbruder, hier am lodernden Kultfeuer des Altkönigs leiste ich dir folgenden Eid: Sind wir einst Ritter, dann werden wir Seite an Seite unser Land von der Römerplage befreien. Oui, das schwöre ich vor allen Göttern!’
Seine Augen glühten, der schmächtige Rotschopf kam sich vor wie Gott Donar persönlich. Und nun Waldurs Schwur:
‚Ja, mein Freund und Blutsbruder, wir werden einst gemeinsam unser Land - äh, euer Frankenland - von den Römern befreien. Das gelobe auch ich.’
Noch eine Gedenkminute, dann löschten sie die Flämmchen. Anschließend setzten sie wieder die Fellmützen auf und rannten zu ihren Pferden, die sie am Waldrand zurückgelassen hatten. Waldur saß mit flottem Schwung sofort auf seiner kleinen Stute und trieb sie an, Chlodwig dagegen führte sein Pferd am Zügel, wobei er Waldur ängstlich nachrief: ‚Steig ab, wir müssen das erste Stück zu Fuß zurücklegen, du weißt wie’s hier spukt!’
Das löste ein Lachen bei Waldur aus, ein so herzhaft lautes, dass Chlodwig fürchtete, es animiert alle Waldgespenster zu boshaftem Treiben.
‚Hör auf, mon ami’, flehte er, ‚und steig ab. Kein Ritter würde sich das wagen.’
Waldur aber gab lachend zurück: ‚Hopp, hopp, Angsthäsle, bis zum Abend müssen wir im Palast sein.’
Darauf blieb Chlodwig nichts anderes, als doch aufzusitzen, und bereits einige Augenblicke später ritt er dicht und mit eingezogenem Kopf hinter seinem Freund her.
Wie es weiterging mit den beiden Abenteurern sehen wir uns später an, vorher wollen wir uns über das Gesehene ein wenig unterhalten“, sagt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher