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Die Herzensdiebin

Titel: Die Herzensdiebin
Autoren: Christina Dodd
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Atmosphäre platzte, den Säugling auf dem Arm.
    »Sharon schläft noch«, sagte sie, und ihrem Tonfall nach zu urteilen, ging sie nicht davon aus, dass es dabei bleiben würde. An allem war ohnehin Isabelle schuld. Mrs. Graham war eine übertrieben diensteifrige, schnell urteilende Frau, die seit dreißig Jahren in Diensten angesehener Familien in den Südstaaten gestanden hatte und sich für etwas Besseres hielt als Bradley Benjamins Frau, die aus armen Verhältnissen stammte. Mrs. Graham sah Isabelle am liebsten nur von hinten.
    Allerdings wäre sie gewiss nicht davon erbaut, alsbald ihre Anstellung zu verlieren.
    »Bleiben Sie«, trug Isabelle ihr auf. »Ich nehme Ihnen das Kind ab, wenn ich hier fertig bin.« Sie stieg auf den Stuhl und nahm das alte Bild vom Haken. Dann stieg sie wieder herunter, ging zu den Bücherregalen und stellte es dort ab. Schließlich stand sie mit ihrem Gemälde wieder auf dem Stuhl. Er wackelte unter ihrem Gewicht und dem des schweren Bilderrahmens.
    Bradley erhob sich, legte einen Arm um ihre Taille und stützte Isabelle.
    Nun standen sie beide reglos da, vereint in dem Gefühl der Berührung, in der für einen Moment all die alten Empfindungen auflebten: Verlangen, Wut, Schmerz ... so viel Schmerz.
    Dann trat Bradley einen Schritt zurück und wischte sich die Handflächen an seinen Hosenbeinen ab.
    Diese kleine Geste beleidigte Isabelle und brach ihr endgültig das Herz, sodass sie beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.
    Aber sie konnte sich selbst nicht belügen, hatte sie doch gewusst, was geschehen würde, wenn er Anschuldigungen aussprach und sie ihm beipflichtete.
    Ihre Hände zitterten, als sie den Aufhängedraht über die Haken legte. So gut sie es konnte, tarierte sie das Gemälde aus und fragte dann: »Hängt es gerade?«
    »Ja.« Seine Stimme klang schroff.
    »Ich überlasse dir mein bestes Werk.«
    »Du bist eine verdammte Hure.« Er stieß sie mit seiner Stimme von sich, mit seinen harten Worten, seiner ganzen Haltung und dem anklagenden Blick.
    Mrs. Graham sog erschrocken die Luft ein.
    »Ich weiß.« Isabelle schaute auf ihn herab. »Aber ich werde nicht um eine Scheidung kämpfen und dich nicht um Unterstützung bitten. Ich werde dir nichts wegnehmen. Du bist frei, um die Frau deiner Träume zu finden.« Sie stieg wieder von dem Stuhl herab und zog ihn zurück zum Schreibtisch. Dann ging sie entschlossen zu der Kinderfrau, nahm ihr Sharon ab und drückte die Kleine an ihr Herz.
    Das Baby regte sich, öffnete kurz die Augen, schloss sie aber wieder. »Möchtest du dich noch von ihr verabschieden?«, fragte Isabelle ihren Mann.
    »Warum?« Er machte es sich wieder in seinem Lehnstuhl bequem und nahm das Glas Bourbon. »Sie bedeutet mir nichts.«
    Ein Mann, der so etwas von einem Säugling sagte, den er in den Armen gehalten hatte, konnte nur ein Herz aus Eis haben.
    Isabelle tat das Beste für sich und ihr Kind. »Du hast recht.« Mit einem Kopfnicken wandte sie sich zur Tür.
    Als sie sich ein letztes Mal zu ihm umdrehte, sah sie, dass er von dem Lehnstuhl aus auf das Gemälde über dem Kamin starrte.

1
    GEGENWART
    Mitternacht, an der Küste South Carolinas
    Blitze zuckten am Himmel. Schatten kahler Äste fielen auf den überwucherten Pfad, und der geschmeidige, ganz in Schwarz gekleidete Eindringling stolperte. Blieb liegen. Erschauerte. Setzte dann den Weg fort zu dem viktorianischen Haus, das sich hoch über dem Meer erhob. Der Boden erzitterte unter Donnerschlägen, ein weiterer Blitz zuckte über das Firmament und ließ das massige Gebäude in einem grellen Weiß aufleuchten. Die Spitzen auf der Dachkuppel im vierten Stock schienen die tief hängenden Wolken durchbohren zu wollen, der Windstärkemesser wurde herumgewirbelt, und weiter unten am Strand schlugen die Wellen mit dumpfem Grollen an Land. Die Pfosten auf dem Balkon im zweiten Stockwerk knarrten und bogen sich leicht, und der heftige Wind trieb die ersten Regentropfen auf die Veranda.
    Die schmale Gestalt lief behände die Stufen hinauf und strebte auf die eindrucksvolle Flügeltür zu. Der große silberne Schlüssel glitt leise in das Schloss und ließ sich leicht drehen. Eine in schwarzes Leder gehüllte Hand ruhte auf dem facettierten Glas, drückte dagegen, und schon schwang die Tür lautlos auf.
    Keine Lampe erleuchtete das Innere, aber der Einbrecher betrat die Eingangshalle, ohne zu zögern.
    Dann kam der nächste Blitz und vertrieb die Schatten.
    Donner grollte. Die Gestalt blieb stehen und
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