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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu
Autoren: Pauline Gedge
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überschrieben“, sagte er. „Das Haus war baufällig, doch der vorherige Besitzer hatte die Äcker säubern und Gerste, Kichererbsen und etwas Knoblauch anpflanzen lassen. Es war ein gutes Anwesen. Vater ließ das Haus instand setzen und auch den Freiluftschrein und die Stallungen. Es wurde unser zweites Heim. Jeden Akhet sind wir hier hergekommen, sind geschwommen und haben geangelt. Ich habe es immer geliebt, gleich beim ersten Mal, als ich den Fuß auf diese Bootstreppe gesetzt habe. Ich bin hier aufgewachsen. Ich habe nicht gewußt, keiner hat gewußt, daß es einmal einer berühmten Nebenfrau gehört hat, die in Ungnade gefallen und vergessen worden war.“ Er legte mir einen Finger unters Kinn und hob mein Gesicht hoch. „Nicht weinen, Mutter. Du zerstörst deine Schminke, Isis muß ja noch einmal von vorn anfangen.“
    „Sprich weiter“, brachte ich heraus.
    „Nach dem Prozeß hat der Prinz Men rufen lassen. Der Pharao wünschte, daß das Anwesen an dich zurückfiele. Er hat Men einen anderen Besitz angeboten, etwas am Nil, am Eingang zum See von Fayum. Das muß man Men lassen, er hat eingewilligt. Wir sind ausgezogen, Thu. Das Haus ist auf Befehl des Pharaos mit Möbeln aus den Palastlagern ausgestattet worden. Ich glaube, er hat dich sehr geliebt.“ Kamen wies mit der Hand. „Alles gehört dir. Du hältst die Originalurkunde in der Hand.“
    Tränenblind entrollte ich den Papyrus. Und da war sie, dieselbe Urkunde, die mir der König vor vielen, vielen Jahren so entzückt geschenkt hatte. „O Ramses“, sagte ich mit erstickter Stimme, aber die Worte blieben mir in der Kehle stecken. Da lag mein Anwesen vor mir, beschaulich und stattlich und üppig grün. Mein. Dieses Mal für immer mein. Und er hatte es getan, obwohl er wußte, daß er meine Dankbarkeit nicht mehr erleben würde. Solch eine überwältigende und selbstlose Zuneigung verdiente ich nicht.
    Kamen winkte, und ich sank auf den Schemel, den ein Ruderer gebracht hatte. Isis drückte mir einen Becher Wein in die Hand und hielt ihn fest, während ich trank. Allmählich erholte ich mich. „Ich reise so bald wie möglich nach Pi-Ramses und bedanke mich aus tiefstem Herzen bei Men“, sagte ich mit zitternder Stimme zu Kamen. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich möchte dem Pharao einen Brief diktieren, hoffentlich erreicht er ihn noch, ehe...“
    „Dazu ist es, glaube ich, zu spät“, sagte Kamen. „Aber er möchte gewißlich nicht, daß du dich grämst, Mutter. Es hat ihm Spaß gemacht, eine Bäuerin dem Land zurückzugeben, so ähnlich hat er sich jedenfalls dem Prinzen gegenüber ausgedrückt. Aber da ist noch das hier.“ Er hielt die andere Rolle hoch. „Wenn du bereit bist, sollst du sie nehmen und ins Haus gehen. Du darfst sie erst öffnen, wenn man es dir sagt.“
    „Mir sagt? Wer? Der Verwalter? Gibt es drinnen Diener, Kamen?“
    „Ja. Und wenn sie dir nicht gefallen, hast du die Erlaubnis des Pharaos, sie fortzuschicken.“ Ich stand langsam auf und musterte ihn nachdenklich.
    „Die Sache hat doch einen Haken, nicht wahr?“ sagte ich. „Verliere ich das Anwesen, wenn ich die Dienerschaft nicht haben will? Treibt der Prinz sein Spiel mit mir?“
    „Nein!“ In seinen Augen blitzte Mitleid auf. „Die Urkunde ist in deiner Hand. Niemand kann sie dir wegnehmen. Der Pharao ist sehr klug, Mutter, klug und mitfühlend. Geht es dir besser? Gut. Dann geh jetzt. Ich bleibe hier an Bord, bis du mir Nachricht schickst, daß alles gut ist.“ Er gab mir die zweite Rolle. Seine Miene drückte etwas aus. War es Sorge? Erwartung? Ich konnte sie nicht enträtseln. Wortlos ging ich zur Laufplanke, ergriff die stützende Hand des Ruderers und setzte den Fuß auf mein eigenes Stück Ägypten.
    Ich mußte nicht lange auf dem schattigen Weg gehen, da kam auch schon das Haus in Sicht, schmiegte sich in den Schutz der hohen Bäume, und seine hübsche, weiß getünchte Vorderfront strahlte im Sonnenschein. Als ich es das letzte Mal gesehen, mich ihm genähert hatte, da bröckelten seine Lehmmauern, und die Steinplatten unter meinen Füßen waren geborsten und hatten sich gewölbt. Men hatte das alles mit einem für einen Kaufmann und Reisenden bemerkenswerten Einfühlungsvermögen instand gesetzt, doch andererseits kannte ich Kamens Adoptivvater auch nicht so genau.
    Meine Gedanken begannen zu rasen, und ich konnte sie nur mit Mühe beruhigen, denn mir war klar, daß sie unter dem wachsenden inneren Druck wild durcheinander purzelten. Das
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