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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu
Autoren: Pauline Gedge
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festgesetzt habe. Sei glücklich.“ Ramses hatte eigenhändig unterzeichnet und die Rolle mit dem königlichen Siegel verschlossen.
    Lange starrte ich auf den Papyrus, dann warf ich ihn heftig fort und ließ mich auf den nächsten Stuhl sinken. „Das ist Wahnsinn“, sagte ich tonlos. „Du bist ein böser Mensch, Hui. Wie hast du das nur geschafft?“ Er kauerte sich neben mich und hüllte mich mit einer Wolke seines Parfüms ein. Jasmin. Ich schloß die Augen.
    „Du mußt mir glauben, wenn ich dir sage, daß ich nichts zu diesem ungemein rätselhaften Urteil beigetragen habe“, sagte er eindringlich. „An dem Abend, als du dich in meinem Zimmer versteckt und mich verhöhnt und gewarnt hast, da war mir klar, daß wir alle, Paiis, Hunro und die übrigen, der Gerechtigkeit dieses Mal kein Schnippchen mehr schlagen würden. Ich bin sofort in den Palast gegangen und habe alles gestanden. Ich hatte erwartet, daß Ramses mich auf der Stelle einsperren würde, und das hat er auch getan. Ich hatte auch erwartet, daß er mich zusammen mit meinem Bruder und Hunro vor ein öffentliches Tribunal zerren würde, doch das hat er nicht getan.“
    „Hätte er lieber tun sollen!“ entfuhr es mir. „Ich war da, Hui! Ich habe im Harem gewartet, bis dein Bruder und Hunro tot waren! Ich weiß, was sie gelitten haben. Du bist genauso schuldig wie sie. Mit welchem Recht bist du noch am Leben? Wenn du ein Mann von Ehre wärst, hättest du dich ohne Rücksicht auf die Machenschaften des Pharaos umgebracht!“
    „Ach ja“, sagte er leise. „Ehre. Aber wir wissen doch beide, daß ich von dieser zweifelhaften Tugend herzlich wenig besitze, nicht wahr, Thu? Was ist Ehre, verglichen mit den elementaren Freuden des Lebens? Gerade du solltest wissen, daß die reine Freude am Leben schwerer wiegt als alle anderen Rücksichten. Schließlich hast du siebzehn Jahre lang alles außer dem Lebenswichtigen entbehren müssen.“
    „Wofür du gesorgt hast“, flüsterte ich. „Weiter.“
    „Kurz bevor der Prozeß beginnen sollte, wurde ich vor den Pharao und den Prinzen gebracht. Ramses hat mir gesagt, er wünsche - genau das Wort hat er benutzt: wünsche. Er wünsche, mein Leben um deinetwillen zu schonen. Er hat gesagt, er hätte zwar deinen Leib besessen, wisse aber, daß du nur mich im Herzen getragen hättest, und er wolle nicht, daß du den Rest deines Lebens um mich trauerst. Vielleicht kannte er dein Herz besser als du selbst.“
    Brüsk stand ich auf und durchmaß das Zimmer. „Du bist hochnäsig“, sagte ich bitter. „Selbstgefällig, hochfahrend, überheblich. Du hast dich dem König auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, nicht wahr? Du hast ihm im Austausch für dein Leben Beweismaterial angeboten, soviel er sich nur wünschen konnte. Und er wollte dich ungern vernichten. Schließlich hast du dich als sein Arzt in allen Dingen um ihn gekümmert. Seine Zuneigung zu dir und sein Vertrauen waren stärker als sein Gerechtigkeitssinn. Aber irgend etwas mußte er mit dir tun. Er konnte dich nicht freilassen und die anderen hinrichten. Also hat er mir die Entscheidung überlassen. Dieser Feigling! Ich hasse euch beide, und dich am meisten! Ramses liegt im Sterben, dieses Mal hilft ihm nichts mehr, und du kannst meinetwegen auch sterben! Ich will dich hier nicht haben. Hinaus mit dir. Geh und erfülle die Bestimmungen dieses albernen, schlimmen Handels!“ Ich wies auf die Rolle, die in der Ecke lag.
    Er hatte sich erhoben, stand mit den Händen hinter dem Rücken und musterte mich kühl. „So war es nicht, Thu, Ehrenwort. Du tust Ramses unrecht. Falls dein Entschluß feststeht, werde ich ihm nachkommen, doch hör dir an, was ich dir zu sagen habe, ehe du mich verurteilst. Läßt du mich ausreden?“ Ich nickte grimmig.
    „Sag, was du willst“, gab ich zurück. „Aber ich bin nicht mehr das unschuldige Mädchen, das an deinen Lippen hängt, Hui. Vergiß das nicht.“
    „Ich habe vieles nicht vergessen“, sagte er leise. „Ich habe nicht vergessen, wie ich dich das erste Mal gesehen habe, splitterfasernackt und tropfnaß in der Kabine meiner Barke, die Augen angstgeweitet und entschlossen. Ich habe den Abend nicht vergessen, an dem du mich geküßt hast und ich mich schmerzlich danach gesehnt habe, den Kuß zu erwidern, dich in die Arme zu nehmen und alle Machenschaften in den Wind zu schlagen. Ich habe deinen Duft nicht vergessen, wenn du dicht neben mir im Kräuterzimmer gestanden hast und sich deine ganze Aufmerksamkeit auf das
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