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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten
Autoren: Manda Scott
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Schilfrohr. Die alte Hündin hob den Kopf und stieß einen Laut der Begrüßung aus. Der Welpe wurde ein letztes Mal gerieben und dann in die Falten ihres Gesäuges gelegt. Sie leckte ihn sauber und schob ihn mit ihrer Schnauze hoch, um ihn fest an eine ihrer Zitzen zu drücken. Er jaulte leise und tatzte mit der Pfote gegen ihren Leib. Offensichtlich hatte er keine Ahnung, wie er trinken musste.
    »Er wird mit der Flasche gefüttert werden müssen.« Báns Mutter beugte sich vor und drückte die hintere Zitze zwischen Daumen und Zeigefinger. Als der erste Milchtropfen herausquoll, hielt sie den Welpen daran und beschmierte seine Lippen mit der weißen Flüssigkeit. Er fiepte leise und saugte zaghaft, dann beim zweiten Mal allerdings schon etwas kräftiger.
    Die ältere Großmutter meldete sich wieder zu Wort. Ihre Stimme klang wie das Rascheln vertrockneter Blätter im Winter. »Der Junge hat den Traum gehabt. Es ist seine Aufgabe, den Welpen aufzuziehen.« Sie wandte sich zu Bán um und blickte ihn durchbohrend an. »Ohne Hilfe wird er nicht überleben. Wirst du ihm helfen?«
    »Ja.« Daran bestand für ihn kein Zweifel. Er sagte: »Sein Name ist Hail.«
    Damit war die Sache besiegelt. Ein Wesen zu benennen bedeutete, ihm Lebenskraft zu spenden. Seine Mutter hielt ihn am Arm fest. »Während des ersten halben Mondes müssen sie sehr oft gefüttert werden, und zwar nicht nur tagsüber, sondern auch nachts. Ich werde dir zeigen, wie man das macht. Wenn du das schaffst, wird der Welpe am Leben bleiben. Wenn nicht, wird er sterben. Falls er stirbt, ist es der Wille der Götter, und du darfst dir deswegen keine Vorwürfe machen. Ist das klar?«
    »Ja.«
    »Schwöre mir, dass du dir nicht die Schuld daran geben wirst!«
    Er gelobte es hoch und heilig. Er schwor bei Briga, der dreifachen Muttergöttin, bei ihrer Tochter, Nemain, der Mondgöttin, und bei den kleineren Göttern des Gebärens und des Aufziehens. Dann - weil der Welpe ein Rüde war und keine Hündin - schwor er auch noch bei Belin, dem Gott der Sonne, und bei Camul, dem Kriegsgott, der über die Männer der Eceni wachte. Es war ein langer und komplizierter Schwur, und am Ende erinnerte Bán sich daran, dass er ja nicht schwor, um wach zu bleiben und den Welpen am Leben zu erhalten, sondern eher, um sich selbst keine Vorwürfe zu machen, wenn das Tier trotz all seiner Bemühungen starb. Er sprach das laut aus, um es ganz deutlich zu machen.
    Seine Mutter lächelte, als er geendet hatte. Sie streckte die Hand nach ihm aus und zog ihn hoch. »Na, dann komm. Ich werde dir zeigen, wie du den Welpen füttern musst. Und dann werden wir einen Platz für dich finden, wo du mit ihm wohnen kannst, damit du uns alle nicht die ganze Nacht lang mit deiner Säuglingspflege wach hältst.«

II
    Eburovic erwachte vom Licht des Mondes. Ein blendend heller Silberstrahl drang durch den Spalt zwischen dem ledernen Türvorhang und dem senkrechten Eichenpfosten in das strohgedeckte Rundhaus und streifte seine Augen, um seinen Traum zu unterbrechen. Eburovic blieb reglos liegen und horchte angespannt. Die Nacht war still. Er hatte von Gefahr geträumt und war noch leicht benommen vom Widerhall des Traumes, so dass er einen Moment brauchte, um richtig wach zu werden und wieder klar denken zu können. Die gedämpften Atemzüge der anderen Schlafenden bildeten eine Geräuschdecke, scheinbar schichtweise über dem Rauch des schwelenden Feuers angeordnet, um sein Ohr zu betäuben. Er drehte den Kopf und hörte das Winseln eines Hundes und das leise Kratzen und Trippeln von Nagetieren. Irgendwo draußen ertönte der Ruf einer Eule und wurde gleich darauf beantwortet. Eburovic lauschte und wartete; dies waren die gewohnten Geräusche, die nachts seinen Schlaf begleiteten, und keines davon hatte ihn geweckt. Er lag ganz still da und hielt den Atem an, während er sich angestrengt bemühte, die Geräusche jenseits des Rauchs auszumachen. Nach einer Weile ertönte es abermals, das leise Klirren von Eisen gegen Eisen - ein Geräusch, das von einem unvorsichtigen Mann stammen könnte, der zuließ, dass sein Schwert gegen seinen Schild schlug oder dass seine Rüstung knirschte, während er über einen Schutzwall kletterte, um diejenigen zu überfallen, die ahnungslos im Inneren schliefen. Aber Eburovic schlief nicht. Schon seit sechs Monaten hatte er nicht mehr richtig geschlafen, weil er Nacht für Nacht auf einen Augenblick wie diesen gewartet hatte. Jetzt fühlte er fast so etwas wie Freude
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