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Die Herren von Buchhorn

Titel: Die Herren von Buchhorn
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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nickte dem jungen Mann zu, der ihnen entgegenkam. Seine Schuhe und Kleidung waren staubig, aber in seinem Gesicht stand ein Lächeln. Er hob die Hand, in der er einen derben Stock hielt.
    »Gott zum Gruß«, erwiderte Gerald und nickte dem Fahrenden freundlich zu.
    »Kommt ihr aus Buchhorn? Gibt’s Arbeit da? Ich hab gehört, dass die Dinge nicht mehr so gut laufen, seit nur ein Verwalter und ein Stall unmündiger Kinder auf der Burg hausen.«
    »Buchhorn ist seinem Herrn treu. Geh ruhig hin, wenn du gute Arbeit leistest, wirst du sicher gut empfangen.« Gerald merkte selber, dass seine Stimme kühler klang als beabsichtigt, doch der junge Fahrende schien es nicht zu bemerken. Er rief den beiden noch einen fröhlichen Gruß zu und lud sein Bündel auf die andere Schulter.
    »Ich bin Gott dankbar, dass wir ein Dach über dem Kopf haben und uns nicht um unser Auskommen sorgen müssen«, flüsterte Mechthild und schaute dem Wanderer nach, der allmählich mit der Dämmerung verschmolz. »Vielleicht hätte ich ihm ein Stück Brot anbieten sollen. Ein mühseliges Dasein hat er.«
    »Nein«, widersprach Gerald und sah der kleiner werdenden Gestalt mit einem Lächeln nach, »ein freies Leben, wenn auch nicht sorgenfrei. Als ich noch ein junger Mann war, reiste ich auch durchs Land.«
    »Aber dann hast du die Schmiede deines Vaters übernommen.« Sie drückte sanft seine Hand. »Hast du es je bereut, sesshaft geworden zu sein? Immerhin hast du die Welt gesehen.«
    »Nur einen kleinen Teil davon.« Er lachte. »Aber hier habe ich mein Glück gefunden. Buchhorn ist meine Welt. Dreißig Jahre, von denen ich keinen Tag bereue.«
    »Keinen?«
    »Keinen!«
    Sie sah ihn an und hob die Augenbrauen. Sie waren zu lange verheiratet, als dass Gerald hätte vorgeben können, sie nicht zu verstehen.
    »Mechthild, bitte! Fang nicht wieder damit an.«
    »Warum nicht? Du hast dir die Welt angesehen, aber deinem Sohn gönnst du diese Freiheit nicht.«
    »Das verstehst du nicht!«
    Sie hieb mit der flachen Hand so heftig auf den Bock, dass Wildfang überrascht mit den Ohren zuckte. »Du machst dir etwas vor, dir und mir! Ja, wenn ich dir mehr Kinder geschenkt hätte. Aber Gott hat es nun einmal so eingerichtet, dass er Geralds kleine Brüder und Schwestern zu sich genommen hat! Und jetzt vergraulst du unseren einzigen Sohn. Nur weil er anders denkt und fühlt?«
    Gerald riss an den Zügeln. »Er ist ein guter Schmied. Alles hätte ich dafür gegeben, wenn er meine Werkstatt übernommen hätte. Aber ich kann und will nicht dulden, dass er dem Hause Buchhorn die Treue verweigert. Er verwechselt Treue und Unfreiheit.«
    »Ja, ich weiß, dass du so denkst. Aber ich frage dich, ob es etwas ändert, wenn er in Bregenz statt in Buchhorn arbeitet. Er will sich eben etwas Eigenes aufbauen. Sei doch einmal stolz auf ihn.«
    »Er hat das Haus Buchhorn im Stich gelassen, als er gebraucht wurde. Ja, wir haben uns gestritten. Denn das Haus Buchhorn …«
    »Oh, bitte!« Sie warf die Arme gen Himmel. »Du hast deinen Sohn einen Verräter genannt.«
    »Das verstehst du doch nicht!« Er ließ die Peitsche knallen, worauf Wildfang seinen Trab beschleunigte. »Du bist nur eine Frau.«
    Mechthilds Mund wurde hart. Sie schwieg.
    Gerald murmelte einen Fluch. Während er auf Wildfangs braunen Rücken stierte, blickte Mechthild auf den Bodensee, der sich zu ihrer Rechten ausdehnte. Seine Oberfläche schimmerte in fahlem Blau, und glitzernde Häubchen kräuselten sich da, wo die Fischerboote ruhig das Wasser teilten. In der Ferne konnte sie sogar die Gipfel der Alpen erkennen, so klar war die Sicht. Ein paar Stunden noch, und die Frühlingssonne würde die schneidende Kälte ablösen, die ihr in den Knochen saß. Sie fühlte, wie sie allmählich ruhiger atmete. Das gleichmäßige Hufgetrappel auf der festgetretenen Erde begann, sie sanft einzulullen. Als sie ihren Kopf gegen die Schulter ihres Mannes lehnte, warf der ihr einen überraschten Blick zu.
    »Hier spür ich Gottes Gegenwart, Gerald.«
    Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. Sein Körper war warm und stark, und einen Augenblick lang war Mechthild dankbar für den brüchigen Frieden.
     
    Sie passierten Argenau und die liebliche Halbinsel mit dem Dörfchen Wasserburg. Mechthild musste lächeln, als sie merkte, wie sehr Gerald es genoss, den erfahrenen Reisenden zu spielen. Er erzählte ihr von den beiden Wachtürmen auf der winzigen Bodenseeinsel, die noch aus heidnischen Römerzeiten stammen sollten,
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