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Die Herren von Buchhorn

Titel: Die Herren von Buchhorn
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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Frühlingsmorgen. Am Himmel glitzerten noch immer Abertausend helle Lichtpunkte. Der Sturm, der in der Nacht gewütet hatte, hatte sich gelegt und klarer Kälte Platz gemacht. Gerald schlang die Arme um den Körper und ging zu dem kleinen Stall neben der Schmiede. In der Dunkelheit konnte er das Pferd mehr hören als sehen. Er tastete sich näher und streichelte die magere Kruppe.
    »Guten Morgen, Wildfang«, murmelte er und liebkoste die warmen Nüstern. Wildfang war sein ganzer Stolz. Zwar war er schon alt gewesen, als der Graf ihm den ausrangierten Klepper vor seinem Aufbruch in den Krieg geschenkt hatte, zusammen mit dem zweiachsigen Karren, aber mit dem Pferd hatten sie beide es leichter, die Waren auf die umliegenden Märkte zu transportieren. Buchhorn hatte zwar selber einen Markt, doch was er dort mit Hufeisen und Waffen verdiente, brachte nicht genug ein, darum stellte Gerald auch Messer, Eisenringe für Joche, Haken und andere Gebrauchsgegenstände her, die er nach Argenau und Wasserburg, in mageren Zeiten sogar bis nach Aeschach brachte. Manchmal fuhr er auch zu Sigurd in den Wald, um Holzkohle für seine Esse zu holen. Sigurd war Mechthilds älterer Bruder. Gerald mochte ihn, auch wenn Sigurd ein verschrobener Kerl war, der behauptete, der Herr spräche aus den Blättern zu ihm, wenn sie im Wind miteinander tuschelten.
    »Ganz ruhig.« Gerald strich über die weiße Blesse des Braunen und zog ihn sanft aus dem Stall. »Ich weiß, Mechthild hält dich für einen unnützen Fresser, der hier nur sein Gnadenbrot bekommt, aber du bist kein alter Klepper. Sie würde es nie zugeben, aber im Grunde ihres Herzens ist sie froh, dass du bei uns bist. Außerdem müssen wir alten Kerle zusammenhalten.« Er legte Wildfang das Geschirr an und spannte ihn vor den Karren. »Vor allem heute …«
    In diesem Augenblick trat Mechthild aus der Hütte. Sie verdrehte die Augen, als sie ihren Mann mit dem alten Braunen sah, aber sie lächelte.
    »Siehst du«, sagte Gerald mit einem Grinsen zu dem Pferd, »sie mag dich.«
    »Ich freu mich so auf das Wiedersehen mit unserem Gerald«, sagte sie und küsste ihren Mann auf die struppige Wange. »Du reißt dich zusammen, ja? Dein Bart wird auch schon grau.«
    »Ich danke Gott, dass meine Haare nur grau werden und nicht ausfallen wie bei deinem Bruder.«
    Wortlos fuhr sie mit gespreizten Fingern durch seine drahtigen Locken und lächelte ihn an. »Wird es lange dauern?«
    »Wie? Ach so, die Reise. Am frühen Nachmittag sind wir da.«
    Er half ihr auf den Kutschbock und reichte ihr ihren Beutel hinauf. Dann schwang er sich neben sie auf den Wagen und nahm die Zügel in die Faust. Das Holz krachte leise, aber Gerald vertraute fest darauf, dass der Wagen des Grafen halten würde. »Was hast du eigentlich da drin?« Er deutete auf den Reisesack.
    »Ein Wams für Gerald.« Mechthild schnürte das Bündel auf und zog verschämt eine Ecke Stoff hervor. »Schau! Ich hab es in den Wintermonaten genäht.«
    »Schön.« Er sah geradeaus. »Hüa, Wildfang.«
    Der alte Hengst spitzte die Ohren und trabte an. Ihm war nicht anzumerken, wie er zu seinem Namen gekommen war, so betulich setzte er Huf vor Huf.
    »Warum brechen wir dann so früh auf?«, fragte Mechthild nach einer Weile.
    Gerald warf seiner Frau einen kurzen Seitenblick zu. »Damit wir uns Zeit lassen können.«
    »Du schwindelst.«
    Er lächelte, aber seine Augen blieben ernst. »Du kennst mich zu gut, Frau. Ich möcht vermeiden, dass unsere Abreise zu früh bekannt wird.«
    »Wegen dieser Edelmänner?«
    Er nickte und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Weg. Obwohl der Wagen nicht breit war, musste er seine ganze Geschicklichkeit aufwenden, Pferd und Wagen durch die engen Gassen von Buchhorn zu lenken. Noch schlief der Ort, aber mit dem ersten Hahnenschrei würde er zu geschäftigem Leben erwachen. Die Einzigen, die bereits ihrem Tagwerk nachgingen, waren die Fischer, die auf den See hinausfuhren, um Welse und Felchen zu fangen. Als graue, gebückte Gestalten hockten sie in ihren Booten und überprüften die Netze auf Löcher und Risse. Die wenigsten achteten auf die einsamen Reisenden auf ihrem Karren.
    Gerald bekreuzigte sich, als der Wagen an der hölzernen Leutkirche vorbeirumpelte und bog auf die Uferstraße ein. Es war ein weiter Weg von Buchhorn nach Bregenz. Sie mussten um den halben See herum reisen, immer die Uferstraße entlang.
    »Holla, Weggefährten. Gott zum Gruß und wohin des Wegs?«
    Gerald hob den Kopf und
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