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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Autoren: Liaquat Ahamed
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in Moskau denkt, dies sei die letzte, die ultimative Krise des Kapitalismus, und dass unsere Gesellschaftsordnung diese Krise nicht überleben wird.« Der Historiker Arnold Toynbee, der viel über den Aufstieg und Niedergang von Zivilisationen wusste, schrieb in seinem jährlichen Rückblick auf die Ereignisse des Jahres für das Royal Institute of International Affairs: »1931 dachten Männer und Frauen auf der ganzen Welt ernsthaft darüber nach und diskutierten diese Möglichkeit auch ganz offen, dass das westliche Gesellschaftssystem zusammenbrechen und nicht mehr funktionieren könnte.«
    Während des Sommers erschien in den Zeitungen ein Brief, den Mantagu Norman vor einigen Monaten an Clément Moret, seinen Kollegen bei der Banque de France, geschrieben hatte. »Wenn nicht dramatische Maßnahmen ergriffen werden, um es zu retten, wird das kapitalistische System innerhalb eines Jahres in der gesamten zivilisierten Welt zugrunde gehen«, erklärte Norman und fügte in dem bissigen Ton hinzu, den er mit Vorliebe gegenüber den Franzosen anschlug: »Ich sollte diese Voraussage archivieren, um später darauf verweisen zu können.« Es gab Gerüchte, dass er, bevor er aufbrach, um sich in Kanada zu erholen, darauf bestand, dass Bezugsscheinhefte gedruckt würden, für den Fall dass das Land als Folge eines allgemeinen Währungszusammenbruchs in Europa zum Tauschhandel zurückkehrte.
    In Krisenzeiten glauben Zentralbanken allgemein, es sei klug, die Mahnung zu befolgen, die Mütter über die Jahrhunderte an ihre Kinder weitergegeben haben: »Wenn du nichts Nettes sagen kannst, dann sag lieber gar nichts.« So vermeidet man das immer wiederkehrende Dilemma, mit dem Finanziers konfrontiert sind, wenn sie es mit einer Panik zu tun haben: Sie können in ihren öffentlichen Verlautbarungen aufrichtig sein und damit die Angst noch weiter anheizen, oder sie können versuchen, die Menschen zu beruhigen, was in der Regel dazu führt, dass sie Lügen erzählen müssen. Dass ein Mann in Normans Position dazu bereit war, ganz offen über den Zusammenbruch der westlichen Zivilisation zu sprechen, war ein lautes und deutliches Signal, dass den führenden Köpfen der Finanzwelt angesichts des »ökonomischen Schneesturms« die Ideen ausgingen, und dass sie bereit waren, ihre Niederlage einzugestehen.
    Norman war nicht nur der wichtigste Bankier der Welt, sondern er wurde auch von Finanziers und Offiziellen aller politischen Schattierungen als Mann von Charakter und Urteilskraft bewundert. Innerhalb dieser Bastion der Plutokratie – zum Beispiel das Bankhaus Morgan – gab es niemanden, dessen Rat mehr geschätzt wurde. Thomas Lamont, Seniorpartner der Firma, sollte Norman später als »den klügsten Mann, den er je getroffen hatte« preisen. Am anderen Ende des politischen Spektrums schrieb der britische Finanzminister Philip Snowden, ein glühender Sozialist, der selbst schon häufig den Zusammenbruch des Kapitalismus vorhergesagt hatte, in überschwänglichen Worten, Norman sei »dem Rahmen des hübschesten Höflings, der jemals den Hof einer Königin zierte, entstiegen«, sein »Mitgefühl mit dem Leiden von Nationen« sei »so zärtlich wie die Gefühle einer Frau für ihr Kind«, und er habe »in überreichem Maß die Qualität inspirierenden Vertrauens.«
    Norman hatte seinen Ruf für ökonomischen und finanziellen Scharfsinn erworben, weil er in so vielen Dingen Recht behalten hatte. Seit dem Ende des Krieges war er strikt dagegen gewesen, von Deutschland Reparationen zu verlangen. In den 1920er-Jahren hatte er immer wieder Alarm geschlagen, dass der Welt die Goldreserven ausgingen. Und schon sehr früh hatte er vor den Gefahren einer Aktienmarktblase in den USA gewarnt.
    Aber einige wenige Stimmen behaupteten dennoch, dass er und seine Politik, vor allem sein rigider, fast theologischer Glaube an die Vorteile des Goldstandards an der ökonomischen Katastrophe schuld waren, die die Länder der westlichen Welt überrollte. Eine von diesen Stimmen war die von John Maynard Keynes. Eine andere war die von Winston Churchill. Ein paar Tage, bevor Norman zu seinem erzwungenen Urlaub in Kanada aufbrach, schrieb Churchill, der den größten Teil seiner Ersparnisse beim Crash an der Wall Street zwei Jahre zuvor verloren hatte, an seinen Freund und früheren Sekretär Eddie Marsh: »Jeder, den ich treffe, scheint irgendwie beunruhigt, dass auf finanziellem Gebiet etwas Schreckliches geschehen könnte … Ich hoffe, dass wir Montagu
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