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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Autoren: Liaquat Ahamed
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verließ, verkörperte ein Großbritannien, das in der Vergangenheit verhaftet war und sich noch nicht mit seiner neuen, weniger bedeutenden Rolle in der Welt anfreunden konnte. Émile Moreau war in seiner Provinzialität und Verbitterung ein nur zu genaues Abbild Frankreichs, das sich nach innen gewandt hatte, um sich die schrecklichen Wunden des Krieges zu lecken. Benjamin Strong, der Mann der Tat, repräsentierte eine neue Generation in Amerika, die sich bemühte, im Weltgeschehen ihre finanziellen Muskeln spielen zu lassen. Nur Hjalmar Schacht in seiner zornigen Arroganz schien nicht im Einklang mit dem schwachen und besiegten Deutschland zu sein, für das er sprach, obwohl er möglicherweise auch nur eine verborgene Wahrheit über die eigentliche Stimmung in seinem Land zum Ausdruck brachte.
    Es liegt etwas sehr Bewegendes in dem Kontrast zwischen der Macht, die diese vier Männer einmal ausgeübt haben und ihrem fast völligen Verschwinden aus der Geschichtsschreibung. Diese vier früher vertrauten Namen, von Zeitungen als »der exklusivste Club der Welt« bezeichnet, sind unter dem Schutthaufen der Zeit verschwunden und sagen den meisten Menschen gar nichts mehr.
    Die 1920er-Jahre waren eine Zeit des Wandels. Vor dem einen Zeitalter war der Vorhang der Geschichte bereits gefallen, und das andere hatte noch nicht begonnen. Die Zentralbanken befanden sich immer noch in Privatbesitz; ihre wichtigsten Ziele waren die Werterhaltung der Währung und die Verhinderung von Bankpaniken. Sie waren gerade erst dabei, zu bemerken, dass sie für die Stabilisierung der Volkswirtschaft verantwortlich waren.
    Im 19. Jahrhundert waren die Präsidenten der Bank of England und der Banque de France rätselhafte Gestalten; wohlbekannt in Finanzkreisen, aber ansonsten nicht im Blickfeld der Öffentlichkeit. In den 1920er-Jahren dagegen interessierte man sich sehr für sie – ganz ähnlich wie heute. Gerüchte über ihre Entscheidungen und geheimen Treffen füllten die Tageszeitungen, und sie hatten es oft mit den gleichen ökonomischen Themen und Problemen zu tun wie ihre Nachfolger von heute: dramatische Bewegungen am Aktienmarkt, volatile Währungen und große Mengen von Kapital, die von einem Finanzzentrum in ein anderes verlagert wurden.
    Allerdings mussten sie auf altmodische Weise operieren, hatten nur primitive Werkzeuge und Informationsquellen zur Verfügung. Wirtschaftsstatistiken gab es erst seit sehr kurzer Zeit. Die Bankiers kommunizierten per Post – in einer Zeit, als es noch eine Woche dauerte, bis ein Brief aus New York in London ankam. In wirklich dringlichen Fällen wurde telegraphiert. Erst ganz am Ende des Dramas konnten sie via Telefon miteinander in Kontakt treten – und auch das nur mit Schwierigkeiten.
    Auch die Geschwindigkeit des Lebens war anders als heute. Niemand flog von einer Stadt in eine andere. Es war das goldene Zeitalter der Ozeandampfer, als eine Atlantiküberquerung fünf Tage dauerte, als man mit einem persönlichen Diener reiste und man beim Dinner unbedingt ein Abendkleid tragen musste. Es war eine Ära, in der Benjamin Strong, Chef der New York Federal Reserve, monatelang nach Europa verschwinden konnte, ohne dass dies besonders viel Aufsehen erregt hätte. Er fuhr im Mai über den Atlantik, reiste dann zwischen den Hauptstädten Europas umher und besprach sich mit seinen Kollegen, legte von Zeit zu Zeit eine Pause in einem der eleganteren Seebäder und Erholungsorte ein, und im September kam er dann schließlich wieder zurück nach New York.
    Die Welt, in der sie operierten, war sowohl kosmopolitisch als auch seltsam provinziell. Es war eine Gesellschaft, in der rassische und nationale Stereotypen eher als Tatsachen denn als Vorurteile galten; eine Welt, in der Jack Morgan, Sohn des mächtigen Pierport Morgan, seine Beteiligung an einem Kredit an Deutschland mit der Begründung ablehnen konnte, die Deutschen seien »Menschen zweiter Klasse«. Der Berufung von Juden und Katholiken ins Stiftungskomitee von Harvard widersprach er mit den Worten: »Der Jude ist immer zuerst ein Jude und erst an zweiter Stelle ein Amerikaner. Und ich fürchte, der Katholik ist nur allzu oft zuerst ein Papist und erst an zweiter Stelle ein Amerikaner«. Im späten 19. Jahrhundert gab es im Finanzwesen eine große Kluft – ob in London, New York, Berlin oder Paris. Auf der einen Seite standen die großen angelsächsischen Banken: J. P. Morgan, Brown Brothers, Barings. Auf der anderen Seite standen die
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