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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter
Autoren: Oliver P�tzsch
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Stuhl saß. Kein Zweifel, Georg Augustin würde nicht gestört werden. Die Diener und Mägde waren alle unten auf dem Marktplatz und hatten vermutlich bis morgen frei bekommen. Wahrscheinlich würde erst nach Mitternacht wieder jemand das Patrizierhaus betreten.
    Am Boden hinter Simon wälzte sich mit leisem Stöhnen der alte Augustin. Die Koliken schienen nachzulassen.Trotzdem war er nicht in der Lage einzugreifen. Simon betete, dass der Greis nicht ohnmächtig wurde. Matthias Augustin war die einzige Hoffnung, die er hatte. Vielleicht gelang es ihm ja, seinen verrückten Sohn zur Vernunft zu bringen. Denn dass Georg nicht ganz normal war, hatte Simon bereits feststellen können.
    »Mein Vater hat mich immer für einen Stutzer gehalten«, sagte der junge Patrizier und drehte weiter den Schürhaken in der Glut. Seine Augen blickten beinahe verträumt ins Feuer. »Nie hat er an mich geglaubt. Weggeschickt hat er mich, nach München ... Aber das mit der Baustelle war meine Idee. Ich habe die Söldner im Semer-Wirt angeworben. Dem Bürgermeister habe ich eine Stange Geld gegeben, damit er’s nicht verrät. Zum Hintereingang hat er mich reingelassen, der fette Sack. Hat geglaubt, dass ich die Söldner brauche, um das Siechenhaus zu zerstören, weil’s schlecht für den Handel wär. Als ob mich der Handel schert!«
    Er lachte laut auf. Dann ging er mit dem glühenden Schürhaken auf Simon zu.
    »Jetzt soll mein Vater sehen, dass ich nicht der Stutzer bin, für den er mich immer gehalten hat. Wenn ich mit dir fertig bin, wird dich deine Henkersdirne nicht mehr wiedererkennen. Vielleicht nehm ich sie mir mal vor, das kleine Luder.«
    »Georg ... Sieh dich vor ...«
    Der alte Augustin hatte es geschafft, sich aufzurichten. Er stützte sich keuchend auf den Tisch und schien etwas sagen zu wollen. Doch der Schmerz ließ ihn wieder zusammensacken.
    »Du hast mir nichts mehr zu sagen, Vater«, flüsterte Georg Augustin und ging weiter auf Simon zu. »In ein paar Wochen ist es vorüber. Dann werde ich hier sitzen und dieGeschäfte leiten. Du wirst verfaulen, aber unser Haus, unser Name wird weiter bestehen. Mit dem Geld werde ich ein paar neue Fuhrwerke kaufen und ein paar starke Rösser , und dann werden wir den Augsburgern den Marsch blasen, dass es sich gewaschen hat. «
    Der Greis deutete verzweifelt auf die Tür hinter seinem Sohn.
    »Georg, hinter dir ... «
    Der junge Patrizier blickte zunächst verwundert und dann sichtlich erschrocken seinen Vater an, der mit dürren Fingern zum Eingang zeigte. Als er sich schließlich umdrehte, war es zu spät.
    Der Henker flog wie ein Nachtmahr auf ihn zu; mit einem einzigen Hieb streckte er Georg Augustin zu Boden. Der glühende Schürhaken flog in eine Ecke des Raumes und blieb dort scheppernd liegen. Verdattert blickte Georg Augustin auf den großen Mann über ihm, der sich nun zu ihm hinunterbeugte und ihn mit beiden Händen hochzog.
    »Das Foltern überlass mir, Stutzer«, sagte der Henker. Dann gab er dem Patrizier mit seinem kantigen Schädel eine Kopfnuss, dass dieser leblos auf dem Stuhl zusammensackte. Blut rann aus seiner Nase. Er kippte vornüber und blieb bewusstlos am Boden liegen.
    Der Henker würdigte Georg Augustin keines Blickes mehr und eilte auf Simon zu, der auf seinem Stuhl hin und her zappelte. Mit einer raschen Bewegung zog er ihm den Knebel aus dem Mund.
    »Kuisl! «, keuchte der Medicus. »Euch schickt der Himmel. Woher wusstet Ihr, dass ... «
    »Bin aufs Fest, um meiner Magdalena das Mütchen zu kühlen«, unterbrach ihn der Henker knurrend. »Dachte, ich würde euch beim Poussieren erwischen. Stattdessen habt’s gestritten, wie ich hören muss. Hast Glück, dass siedich immer noch mag und gesehen hat, wie du beim Augustin rein bist. Sie hat mir erzählt, wo du bist. Als du nicht mehr rauskamst, bin ich hinterher.«
    Der Henker deutete auf den Riss an Simons linkem Oberschenkel, unter dem sich schwarzrote, verbrannte Haut abzeichnete.
    »Was hast da?«
    Simon blickte hinunter. Als er die Wunde sah, kam der Schmerz zurück.
    »Der Sauhund hat mich mit dem Schürhaken erwischt. Er war nah dran, mich bei lebendigem Leib zu verbrennen.«
    »Jetzt weißt wenigstens, wie’s der Stechlin bald geht«, brummte Jakob Kuisl. »Was ist mit dem da? «
    Er zeigte auf den alten Augustin, der sich mittlerweile erholt hatte und mit hasserfüllten Augen in seinem Lehnstuhl saß.
    »Er ist der Auftraggeber, den wir so lange gesucht haben«, sagte Simon, während er
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