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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter
Autoren: Oliver P�tzsch
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und Hass wieder nach Schongau gekommen sind und die Scheiterhaufen wieder brennen werden?«
    Er hatte sich in Rage geredet. Mit einem letzten Schritterreichte er den Lehnstuhl und riss ihn zu sich herum. Er blickte in die blinden Augen eines Greises, der fast mitleidig den Kopf schüttelte.
    »Simon, Simon«, sagte Matthias Augustin. »Du hast immer noch nicht verstanden. All das ist nur passiert, weil du und der elende Henker sich eingemischt haben. Glaub mir, auch ich will keine Hexen mehr brennen sehen. Ich sah in meiner Kindheit schon zu viele Scheiterhaufen. Ich wollte immer nur den Schatz; er stand mir zu. Alles Weitere habt allein ihr zu verantworten.«
    »Der Schatz, der verdammte Schatz«, murmelte Simon und ließ sich in den Stuhl neben dem Alten fallen. Er war müde, nur noch müde. Fast wie in Trance sprach er weiter.
    »Der Pfarrer hat mir damals in der Kirche den entscheidenden Hinweis gegeben, aber ich habe nicht zugehört. Er wusste, dass Ihr der Letzte wart, den der alte Schreevogl vor seinem Tod noch gesprochen hat. Und er hat mir erzählt, dass Ihr mit ihm befreundet wart.«
    Simon schüttelte den Kopf, bevor er weitersprach.
    »Damals, als ich bei ihm in der Beichte war, hatte ich ihn gefragt, ob sich in jüngster Zeit jemand anders für das Grundstück interessiert hatte«, sagte er. »Bis heute hatte er vergessen, dass tatsächlich Ihr kurz nach dem Tod des alten Schreevogl danach gefragt hattet. Erst jetzt bei der Maifeier ist es ihm wieder eingefallen.«
    Der greise Patrizier biss sich auf die blutleeren Lippen.
    »Der alte Narr. Ich hatte ihm viel Geld geboten, aber nein, er musste ja dieses verdammte Siechenhaus bauen … Dabei stand das Grundstück mir zu, mir allein! Ferdinand hätte mir das Grundstück schenken müssen. Es war das Mindeste gewesen, was ich von dem Geizhals erwartet hatte! Das Mindeste!«
    Er griff nach einer Walnuss auf dem Tisch und knacktesie mit geübtem Griff. Schalensplitter spritzten über die Tischplatte.
    »Ferdinand und ich kannten uns seit der Kindheit. Wir waren gemeinsam in der Lateinschule, wir haben als Buben Murmeln gespielt, und später hatten wir dieselben Mädchen. Er war wie mein Bruder ...«
    »Das Gemälde im Ratssaal zeigt euch beide in der Mitte der Patrizier. Ein Bild trauter Einheit«, unterbrach ihn Simon. »Ich hatte es vergessen, bis ich Euch heute Abend am Tisch mit den anderen Ratsherren sah. Auf dem Gemälde haltet Ihr ein Papier in den Händen. Ich habe mich heute gefragt, was wohl darauf steht?«
    Matthias Augustins Augen wendeten sich wieder dem Flammenschein vor dem geöffneten Fenster zu. Er schien in die Ferne zu blicken.
    »Ferdinand und ich waren damals beide Bürgermeister. Er brauchte Geld, dringend. Seine Hafnerei war kurz vor dem Ruin. Ich lieh ihm das Geld, eine ordentliche Summe. Das Papier auf dem Bild ist der Schuldschein. Der Maler wollte, dass ich als Bürgermeister ein Dokument in den Händen halte. Also nahm ich den Schuldschein, ohne dass die anderen bemerkten, um was es sich handelte. Ein ewiges Zeugnis von Ferdinands Schuld ... « Der Greis lachte.
    »Wo ist der Schuldschein jetzt?«, fragte Simon.
    Matthias Augustin zuckte mit den Schultern.
    »Ich hab ihn verbrannt. Wir waren damals in dieselbe Frau verliebt. Elisabeth, ein rothaariger Engel von einem Mädchen. Ein wenig einfältig, nun ja, aber von nie erreichter Schönheit. Ferdinand versprach mir, sie nicht mehr anzurühren, und ich habe den Schein dafür verbrannt. Ich habe diese Frau dann geheiratet. Ein Fehler ...« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Sie schenkte mir einen unnützen, dummen Balg und starb im Wochenbett.«
    »Euer Sohn Georg«, warf Simon ein.
    Matthias Augustin nickte kurz. Dann sprach er weiter, während seine dünnen, gichtigen Finger zuckten.
    »Der Schatz steht mir zu! Ferdinand hat mir auf dem Sterbebett davon erzählt, davon und dass er ihn irgendwo auf der Baustelle versteckt hatte. Er hat gesagt, ich würde ihn niemals finden. Er wollte sich rächen! Wegen Elisabeth! «
    Simon ging um den Tisch herum. Seine Gedanken wirbelten durcheinander und setzten sich wieder neu zusammen. Alles ergab auf einmal einen Sinn. Er blieb stehen und deutete auf Matthias Augustin.
    »Ihr selbst habt die Skizze der Schenkungsurkunde aus dem Ratsarchiv gestohlen«, rief er. »Ich war so dumm! Ich dachte, dass nur Lechner oder einer der vier Bürgermeister vom Versteck hinter der Kachel wissen konnten. Aber Ihr ...?«
    Der Greis schmunzelte.
    »Ferdinand
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