Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter
Autoren: Oliver P�tzsch
Vom Netzwerk:
hatte das Versteck damals anfertigen lassen, als er den Ofen baute. Er hat mir davon erzählt. Eine Kachel mit einem Akten scheißenden Gerichtsschreiber! Er war schon immer für seinen derben Humor bekannt.«
    »Aber wenn Ihr die Skizze hattet ...«, fragte Simon.
    »Ich bin daraus nicht schlau geworden«, unterbrach ihn Augustin. »Ich habe sie gedreht und gewendet, aber ich konnte das verfluchte Versteck nicht finden!«
    »Also habt Ihr die Arbeiten auf der Baustelle sabotieren lassen, damit Ihr dort länger suchen könnt«, folgerte Simon. »Und dann haben Euch die Kinder belauscht, und Ihr habt sie als gefährliche Mitwisser einfach umgebracht. Wusstet Ihr, dass sie den Auftraggeber gar nicht erkannt hatten? All das Morden wäre nicht notwendig gewesen.«
    Zornig knackte Matthias Augustin eine weitere Nuss.
    »Das war Georg, dieser einfältige Geck. Den Verstand hat er von seiner Mutter, nicht von mir. Er sollte den Söldnern nur das Geld für die Sabotage geben. Aber selbst dafür ist er zu dumm! Hat sich belauschen lassen und dann den Befehl gegeben, die Kinder zu beseitigen. Als ob nicht klar wäre, welchen Ärger so etwas macht!«
    Der Patrizier schien Simon vergessen zu haben. Er schimpfte, ohne sich weiter um den Medicus zu kümmern.
    »Ich habe ihm gesagt, er soll aufhören! Er soll diesem Satan sagen, dass es gut ist. Was hätten die Kinder denn groß erzählen können? Wer hätte ihnen schon geglaubt? Aber das Morden ging weiter. Und jetzt sind die Kinder tot, der Landgraf schnüffelt in der Stadt nach Hexen, und den Schatz haben wir trotzdem nicht! Ein Scherbenhaufen! Ich hätte Georg in München lassen sollen, alles hat er zerstört!«
    »Was kümmert Euch der Schatz?«, fragte Simon ungläubig. »Ihr seid reich. Warum so viel riskieren für ein paar Münzen?«
    Der Greis fasste sich plötzlich an den Bauch und krümmte sich nach vorne. Eine Welle des Schmerzes schien ihn zu durchfluten, bevor er weitersprechen konnte.
    »Du ... verstehst nicht«, keuchte er schließlich. »Mein Körper ist ein faules Stück Fleisch. Ich verwese bei lebendigem Leib. Schon bald fressen mich die Würmer. Aber das ... ist ... unwichtig.«
    Wieder musste er kurz innehalten und den Schmerz vorüberziehen lassen. Dann schien der Anfall vorbei zu sein.
    »Was zählt, ist die Familie, der Name«, sagte er. »Die Augsburger Rottfuhrleute haben mich fast in den Ruin getrieben. Verdammtes Schwabenpack! Nicht mehr lange,und dieses Haus geht vor die Hunde. Wir brauchen dieses Geld! Noch reicht allein mein Name, um Kredit zu bekommen. Doch bald ist auch damit Schluss. Ich brauche ... diesen Schatz.«
    Seine Stimme ging in ein leises Röcheln über, während seine Finger sich in die Tischplatte krallten. Die Koliken kamen zurück. Simon sah mit zunehmendem Entsetzen, wie der Greis zuckte, den Kopf hin und her warf und mit seinen blinden Augen rollte. Speichel troff ihm aus dem Mundwinkel. Die Schmerzen mussten unvorstellbar sein. Vermutlich ein Knoten im Gedärm, vermutete der Medicus. Ein Geschwür, das sich über den ganzen Unterleib ausgebreitet hatte. Matthias Augustin würde nicht mehr lange leben.
    In diesem Moment nahm Simon eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Er wollte sich umdrehen, doch noch im Drehen erwischte ihn ein mächtiger Schlag seitlich am Hinterkopf. Er sank zu Boden; taumelnd erkannte er, wie der junge Georg Augustin zu einem zweiten Schlag mit einem eisernen Kerzenleuchter ausholte.
    »Nicht, Georg!«, rief sein Vater keuchend von hinten. »Du machst alles nur noch schlimmer!« Dann überrollte Simon eine schwarze Welle. Er wusste nicht, ob ihn der Kerzenständer noch einmal getroffen oder ob er schon vorher das Bewusstsein verloren hatte.
    Als er wieder aufwachte, spürte er ein Ziehen in der Brustgegend, an den Füßen und an den Händen. Sein Kopf pulste vor Schmerz, sein rechtes Auge ging nicht auf; vermutlich weil Blut darübergelaufen und nun angetrocknet war. Er saß auf dem Stuhl, auf dem er schon vorher Platz genommen hatte, doch er konnte sich nicht rühren. Als er an sich hinunterblickte, sah er, dass er mit einer Vorhangkordel von oben bis unten an den Stuhl gefesselt war. Simonwollte schreien, doch mehr als ein Würgen brachte er nicht hervor. Ein Knebel steckte tief in seinem Mund.
    Vor seinem Gesicht tauchte nun der grinsende Georg Augustin auf. Mit seinem Degen fuhr er am Wams des Medicus entlang, so dass einige der Kupferknöpfe absprangen. Simon fluchte innerlich. Als er gesehen hatte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher