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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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Heilungen zu bezahlen, die wir gestohlen hatten. Er könnte ...
    Warum waren die Gildewachen nicht hinter mir her?
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und spitzte die Ohren in Richtung Küste. Schritte, Husten, das nervöse Geplapper, das jeder Menschenmenge zu eigen war, aber kein Geschrei, kein Getrampel von Stiefeln.
    Er ließ zu, dass ich ihn trat und davonlief?
    Langsam kletterte ich die Kaimauer hinauf und sprang an Land. Immer noch keine Wachen. Nicht einmal ein Zeichen von Aufregung in der Menge, nur die üblichen Zweier- oder Dreiergrüppchen, die mit gesenkten Häuptern einhergingen. Vielleicht dachte der Älteste, er könnte mich in einer der Schenken auftreiben. Ich grinste. Er würde nirgends eine Melana finden. Oder war es Meletta? Egal. Sie war weg, ihm durch die Hände geflutscht wie Gänsefett.
    Möglich, dass noch Wachen nach mir Ausschau hielten, aber die leuchtend grünen Uniformen der Gilde waren leicht zu erkennen. Und die Leute neigten dazu, Platz zu machen, wenn sie Männer in Rüstung auf sich zukommen sahen.
    Mein Magen knurrte wieder. Ein schmerzliches Knurren, das mir die Gedärme verdrehte und besagte, dass es für ein Frühstück längst zu spät war. Für das Mittagessen ebenso. Und fürs Abendessen. Ich ging in Richtung Docks, aber mein Magen sagte mir auch, dass es zu spät war, um Köder zu schneiden.
 
    »Die Boote sind schon rausgefahren, Nya. Ich hab nichts für dich.«
    »Tut mir leid, Nya. Ich hab schon ein paar Jungs dafür bezahlt, die Docks zu schrubben. Billig waren sie auch noch.«
    »Wärest du früher hier gewesen, hättest du Wagen entladen können, aber das ist inzwischen alles erledigt.«
    Jeder Vorarbeiter an jedem Ankerplatz gab mir die gleiche Antwort, auch wenn ein paar davon mich mit bekümmerter Miene abwiesen. Besonders Barnikoff, der zumeist irgendetwas fand, das ich tun konnte. Er hatte drei Töchter verloren und hatte mich gern um sich, um mir Geschichten zu erzählen, während er Rankenfußkrebse von Rumpf eines Bootes kratzte. Aber heute lagen keine Boote im Trockendock.
    Auch beim Bäcker gab es keine Arbeit, und der Metzger hatte schon genug Leute, die Hühner und Perlhühner rupften. Der Glasmacher hatte zwei Mädchen, die Sand nachschütteten, und brauchte mich nicht. Eine Reihe kräftiger Jungs in meinem Alter wartete vor der Schmiede und bedachte ein Mädchen, das ich kannte, mit finsteren Blicken. Aylin tanzte vor einer Mauer aus Flusssteinen, die ein Lusthaus umgab, lieferte einen Vorgeschmack auf das, was man im Inneren zu sehen bekam, wenn man bereit war, die überhöhten Preise zu zahlen, die für Speisen, Getränke und Unterhaltung gefordert wurden. Sie strahlte, und ihre blassen Schultern bildeten einen starken Kontrast zu dem tiefen Rot und Gold, in dem ihr Kleid gehalten war. Gelbe Perlen folgten ihrem Dekolleté, glitzerten an den Säumen ihrer kurzen Ärmel.
    Ich ging zu ihr. Bei all den Offizieren, Aristokraten und Händlern, die Tag für Tag an ihr vorüberschlenderten, um ihren gestohlenen Reichtum zu vergeuden, kannte Aylin mehr Klatschgeschichten als eine Horde alter Weiber. Sollte noch irgendjemand Arbeit für mich haben, würde sie davon wissen, und ich konnte Arbeit brauchen, und zwar schnell. Meine Taschen waren so leer wie mein Bauch. Gestern war die Miete fällig gewesen, und ich konnte Millie nicht ewig aus dem Weg gehen. Dank der Sommernächte würde ich nicht frieren müssen, aber für ein Mädchen, das des Nachts unter einem Busch im Freien schlief, gab es noch ganz andere Dinge zu bedenken. Und die meisten davon trugen blaue Uniformen.
    Ich schlängelte mich durch den Strom der Menschen hindurch, die von der Fähre kamen, und hüpfte auf die Mauer.
    »Bitte sag mir, du weißt jemanden, der Arbeit für mich hat. Ich brauche gute Neuigkeiten.«
    »Hallo, Nya.« Sie warf das lange rote Haar zurück und winkte einem gut gekleideten Händler zu, der gerade vorbeikam. Er schlug den brokatgeschmückten Kragen hoch und ignorierte sie. »Nee, nur das Übliche. Ist denn schon alles vergeben?«
    »Ich war spät dran. Denkst du, der Kanalmeister braucht noch jemanden zum Laubabziehen?« Jeden Sommer wucherten die Wasserhyazinthen in den Kanälen, verstopften sie so sehr, dass die Stakenboote nur noch schwer durchkamen. Gefährliche Arbeit, aber gut bezahlt.
    »Hast du Sehnsucht danach, Krokodilen auszuweichen?«
    »Ich habe Sehnsucht danach, etwas zu essen.«
    Ihr Lächeln erstarb. »Oh, so schlimm, ja?«
    »Würde ich sonst das
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