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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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es.«
    »Geh hin und heile die Kranken, Kindchen!« Das trug mir ein Kichern ein.
    »Geh hin und quäle die Fische!« Sie lächelte, sah aber immer noch besorgt aus. Vielleicht dachte sie an die verschwundenen Lehrlinge, vielleicht lag es aber auch nur an dem Knöchelbrand, den sie mir abgenommen hatte.
    Wir verließen ihr Zimmer. Tali ging nach links zum Krankentrakt, während ich rechtsherum in Richtung des Ausgangs auf der anderen Seite der Empfangshalle hastete. Dieser Ausgang lag den Docks am nächsten, und die Gildewachen am Nordtor ließen mich immer passieren. Ich war ziemlich sicher, dass der Hagere einen Narren an mir gefressen hatte, aber ich würde eher ein Krokodil küssen als einen Baseeri.
    Ich durchquerte die Halle, bis ich den vorderen Bereich des Vorraums erreicht hatte, und schlängelte mich zwischen den ungefähr ein Dutzend Leuten hindurch, die dort auf eine Heilbehandlung warteten. Grüne, weiße und silberne Flecken blitzten auf, als die Lehrlinge, die zu spät zum Unterricht kamen, die Abkürzung über die Hintertreppe nahmen.
    »Das ist sie!«
    Ich ruckte herum, ehe mein Verstand mich bremsen konnte. Zwei Mündel zeigten auf mich, die Augen so groß, die Gesichter so staunend wie in der letzten Nacht. Bei allen Heiligen und Sündern! In einem leeren Eimer ist eben kein Glück zu finden.
    »Das ist die, die Schmerz übertragen hat«, sagte eines der Mündel laut genug, dass sich etliche Köpfe drehten. Mehr als nur ein paar Leute hielten inne und starrten mit großen Augen herüber. »Sie hat ihn aus dem einen Mann rausgezogen und in den anderen reingepresst. Wir haben es gesehen, nicht, Sinnote?«
    Mein leerer Magen verkrampfte sich. Zwischen den beiden Mündeln stand ein Ältester der Gilde mit vollem Goldlitzenbehang. Die acht Litzen schlängelten sich wie Vipern auf seinen Schultern, während die Enden am Rand seiner ärmellosen Robe herabbaumelten. Dicke Arme spannten die knappen Ärmel des Untergewands, und sein mit Perlen durchwirktes schwarzes Haar war im Nacken zu einem Strang, dick wie ein Tau, zusammengebunden. Ein bäriger Mann, hätte Mama gesagt.
    Er krümmte einen Finger in meine Richtung und deutete zugleich auf eine Fliese vor seinen Füßen. »Komm her.«
    Weglaufen würde mich verdächtig erscheinen lassen. Nicht gehorchen würde mich gleichermaßen verdächtig erscheinen lassen. Außerdem würde ich es so oder so nie an den Wachen vorbei schaffen, ganz gleich, wie gern dieser Kerl mich haben mochte.
    »Sofort.«
    Auf dieses kleine Wort folgte nie etwas Gutes.
    Ich trat einen Schritt vor und fragte mich, um welche Zeit im Dorsta-Gefängnis wohl das Mittagessen serviert wurde.

Zweites Kapitel
    D er Älteste starrte so unbewegt auf mich herab wie die dicken Säulen, die hinter ihm die Galerie in der Eingangshalle stützten. Er verschränkte die Arme vor der Brust und tippte mit einem Finger auf seinen Bizeps. Männer in Roben sollten nicht so furchteinflößend aussehen. Dazu gab es schließlich Rüstungen. »Dein Name?«, fragte er.
    »Merlaina Oskov.« Tali hätte mir für die Lüge Mamas gestrenge Miene präsentiert, aber kannte ein Ältester erst einen Namen, dann wartete meist ein Haufen Ärger auf einen. Diese Leute schenkten niemandem außer dem Erhabenen Beachtung, und der schenkte niemandem Beachtung außer dem Herzog, genauso wie all die anderen vom Militär eingesetzten Oberherren in Geveg. Es war nicht ungefährlich, die Aufmerksamkeit einer dieser Personen zu erregen.
    »Kennst du diese Mündel?«
    »Nein, Herr.«
    Die braunen Augen des geschwätzigen Burschen wurden größer, und sein Mund klappte auf. »Aber ...«
    »Ich arbeite in der Schicht von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang in der Schenke«, sagte ich hastig. »Wüsste nicht, wie mir in dieser Zeit diese Jungs hätten begegnen sollen.«
    Sinnote krallte sich den Arm seines Freundes und stupste ihn. »Ich glaube nicht, dass sie das ist«, zischte er.
    »Das ist sie. Sie trägt sogar dieselben schmutzigen Kleider.«
    »Du irrst dich.«
    Der Gildeälteste war kein Narr. »Um welche Zeit habt ihr sie gesehen?«, fragte er.
    »Um drei«, sagte der Junge.
    »Um fünf«, sagte Sinnote zugleich. Dann zog er eine Grimasse, und seine Sommersprossen tanzten über sein Gesicht.
    Ein Grinsen machte sich in den Mundwinkeln des Ältesten bemerkbar, ehe er die Hand nach meinem Arm ausstreckte. »Komm mit mir.«
    Ich zuckte zurück. Falls tatsächlich schon wieder jemand Lehrlinge entführte, dann war ein unfreiwilliger
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