Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
mich den Rest meines Lebens satt essen.
    Tali krümmte die Finger und verzog das Gesicht. »Du hättest das auch den Schmerzhändlern verkaufen können, weißt du.«
    Ich rümpfte die Nase. Die Schmerzhändler waren zwar keine echten Diebe, aber sie bezahlten so wenig für den Schmerz, dass es an Diebstahl grenzte. Früher einmal, vor meiner Zeit, hatten sie Leute gegen Entgelt geheilt, genau wie die Gilde es tat, aber irgendwann war ihnen aufgegangen, dass sie mehr Schmerz sammeln konnten, wenn sie bereit waren, dafür zu zahlen. Heute verdienten sie ihr Geld, indem sie den Schmerz dazu nutzten, Schmuckstücke und Waffen aufzuladen, die sie anschließend für viel, viel mehr Geld, als sie durch das Heilen je verdient hatten, an die Adelsleute aus Baseer verkauften.
    Natürlich hatte die Sache auch eine Kehrseite.
    Da sie nun keine geschulten Heiler mehr anheuerten, konnte man nie sicher sein, ob man wirklich geheilt wurde, wenn man zu ihnen ging. Einige ihrer Schmerzlöser nahmen einem lediglich den Schmerz und ließen die Ursache zurück, wenn sie nicht wussten, wie sie sie abstellen konnten. Nur Leute, die keine andere Wahl hatten, gingen noch zu ihnen, und ich hatte mehr als genug mysteriöse Todesfälle unter den Armen und Verzweifelten erlebt. Von all den lahmen und verkrüppelten Gliedern, die man heutzutage auf der Straße sah, hatten die Schmerzhändler nicht weniger zu verantworten als der Krieg.
    Ich war beinahe verzweifelt genug, sie aufzusuchen, aber ich hatte noch andere Gründe, Distanz zu ihnen zu wahren. »Zu riskant. Was, wenn sie merken, dass es nicht mein eigener Schmerz ist, und sich fragen, warum ich mich dessen nicht selbst entledige.«
    »So leicht ist so was nicht aufzuspüren. Und es gibt nur ganz wenige Löser, die nicht der Gilde angehören.«
    Na ja, jedenfalls war meine Gabe nichts, wovon ich mir ein Frühstück kaufen konnte. Zu gern hätte ich sie abgelegt und gegen die Fähigkeit eingetauscht, Pynvium zu erspüren, wie meine Schwester es tat, den »Ruf und Sog des Metalls« zu fühlen, wie Tali mir während des Sommers eingehämmert hatte, als sie versucht hatte, meine Fähigkeit in die richtigen Bahnen zu lenken. Sie war gerade zwölf geworden, und wir hatten gedacht, wir könnten gemeinsam der Gilde beitreten. Uns beide von ungeschulten Schmerzlösern zu echten Heilern ausbilden lassen und ein gutes Leben leben. Die Gilde war eine der wenigen von Baseeris geführten Einrichtungen, die von den Gevegern akzeptiert wurden. Beide Seiten hatten während des Krieges so viele ausgebildete Heiler verloren, dass es heutzutage einfach nicht mehr genug von ihnen gab, um über die Runden zu kommen.
    Aber wie sehr wir es auch versucht hatten, ich konnte kein Pynvium erspüren, konnte keinen Schmerz darin ableiten. Ich hatte Tali überzeugt, allein zu gehen, und die Gilde hatte sie so schnell akzeptiert, wie sie mich abgewiesen hätte. Während der ersten Woche hasste ich sie dafür. Dann, in der zweiten Woche, fühlte ich mich schuldig, als ich erkannte, dass es leichter für mich war, wenn ich nur für mich selbst sorgen musste. Davon abgesehen, wäre es natürlich nett gewesen, ein weiches Bett und regelmäßige Mahlzeiten zu bekommen, so wie sie.
    Ich erhob mich. »Ich sollte besser gehen. Wenn ich mich beeile, kann ich vielleicht noch Arbeit finden. Köder machen oder Docks schrubben.«
    »Vielleicht können wir es jetzt riskieren, dich der Gilde vorzustellen?«, flüsterte sie. »Mehrere Lehrlinge sind verschwunden, also sind wir unterbesetzt. Der Erhabene macht sich deswegen auch schon große Sorgen.«
    »Was meinst du mit ›verschwunden‹ ?« Ich ließ mich zurück auf die Kissen fallen. Der Krieg war seit fünf Jahren vorbei, aber ich erinnerte mich trotzdem noch, wie er angefangen hatte. Heiler, die des Nachts verschwanden, aus ihren Häusern entführt wurden, damit sie im Krieg die Männer des Herzogs von Baseer heilten. Wir wussten nicht, was Krieg war. Wir wussten damals kaum, wer der Herzog war. Das änderte sich allerdings schnell, als die Truppen einmarschierten, Geveg besetzten und sich unser Pynvium unter den Nagel rissen, während immer mehr unserer Schmerzlöser sich ein sicheres Versteck suchten.
    »Nicht so«, sagte sie mit geweiteten Augen. »Zumindest glaube ich das nicht. Die Ältesten sagen, sie wären gegangen, weil ihnen die Ausbildung zu schwer gewesen sei. Einige Leute haben sogar den Erhabenen darüber klagen hören.«
    »Glaubst du ihnen?«
    Sie zuckte mit den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher