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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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Schultern. »So was passiert, aber normalerweise sagen die Leute auf Wiedersehen, wenn sie gehen.«
    Es sei denn, sie gehen nicht aus freien Stücken. Ich schüttelte den Kopf. Nicht mein Problem. Tali war sicher in der Gilde. Drei Mahlzeiten am Tag, ein weiches Bett, Unterricht durch die besten Heiler in Geveg. All das, was ich für mich nicht in Anspruch nehmen konnte, ganz zu schweigen davon, dass ich nicht imstande gewesen wäre, ihr dergleichen zu bieten.
    »Wie auch immer«, fuhr sie fort, »ich dachte, wir könnten sie vielleicht überzeugen, dich heilen zu lassen, und danach, wenn deine Schicht vorbei wäre, könnte ich den Schmerz für dich in die Platte ableiten.«
    Mein Herz zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen. »Du hast ihnen doch nicht von mir erzählt, oder ?«
    »Natürlich nicht! Aber du kannst heilen. Wir müssten lediglich zusammenarbeiten.«
    Sinnlos und sogar gefährlich, danach auch nur zu fragen. »Nein, Tali, du weißt, was sie mit mir anstellen werden, wenn sie herausfinden, dass ich schiften kann.«
    Tod, Gefängnis, vielleicht sogar grässliche Experimente. Vor ein paar Jahren hatte der Herzog angefangen, überall zu verbreiten, dass anormale Löser eine Abscheulichkeit darstellten und bei Entdeckung sofort zur Gilde gebracht werden müssen. Überall in Geveg hatte er Plakate aufgehängt, hatte jeden Häuserblock auf der Insel und sogar die kleineren Bauerninseln damit eingedeckt.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe gehört, sie wollen die Aufnahmebedingungen für Lehrlinge lockern, dass sogar die aufgenommen werden, die gerade mal kleinere Schnittwunden und Blutergüsse heilen können, darum dachte ich, es wäre dem Erhabenen vielleicht egal. Du kannst jedenfalls auf viel höherer Ebene heilen.«
    Aber es war kein richtiges Heilen, es war nicht, was Tali tat. »Es wäre ihm nicht egal. Außerdem würde es dich erschöpfen, und die Gilde wird deine Gesundheit nicht aufs Spiel setzen. Sie brauchen dich.« Selbst wenn sie mich nicht nach Baseer brachten, wäre ich nutzlos für sie. Ich würde Schmerzen ziehen, bis ich mich selbst so sehr unter Schmerzen krümmte, dass ich mich nicht mehr rühren konnte.
    »Na ja«, sagte Tali nach einer ziemlich langen Zeit des Schweigens, »wenn du nicht hier arbeiten willst, dann klau das nächste Mal das ganze Huhn. Auf die Art hast du jeden Morgen frische Eier.«
    Ich grinste. Ich hätte sehr gern für die Gilde gearbeitet, als echte Heilerin. Nur wusste ich, dass es dazu nie kommen würde. »Ein Huhn im Mietshaus? Millie wäre begeistert.«
    »Dann stiehl eben auch noch einen Hühnerkorb. Und ein bisschen Mais. Vielleicht noch etwas Schilfstroh, damit das Huhn sich ein Nest bauen kann.«
    Ich bemühte mich, ernst zu gucken, aber die Vorstellung von einem Hühnerkorb in meiner Kammer war einfach zu viel. Kichern überkam mich und wurde rasch ansteckend. Tali und ich wiegten uns vor und zurück wie Kinder, hielten uns die Seiten und hatten Tränen in den Augen, als die Glocke zur Morgenvisite läutete.
    Tali stand auf und strich sich einen der dünnen Zöpfe aus ihrem Heilerpferdeschwanz von den bebenden Schultern, woraufhin die eingeflochtenen kleinen Perlen aus Jade und Gold leise klimperten. Ihr Haar sah hübsch aus, so glatt und geschmeidig. Ich konnte mir kein Eisen leisten, um meine Locken zu glätten. Tali auch nicht, aber die Lehrlinge der Gilde hatten stets ordentlich auszusehen, also mussten sie sich Luxusartikel wie Haareisen und Gesichtspuder teilen. Aristokraten wollten nicht von einem Rudel ungepflegter Kinder geheilt werden, und seit dem Krieg gab es in Geveg keine anderen Schmerzlöser mehr. Sie hatten Älteste und Lehrer aus Baseer herbringen müssen, um uns zu unterrichten, und der erste Haufen Vierlitzer aus Geveg war gerade in der Ausbildung. Im nächsten Jahr würden sie voll ausgebildete Heiler sein, denen es freistand, hinauszuziehen und ihr Glück zu suchen. Aber die meisten würden vermutlich bei der Gilde bleiben.
    »Kommst du zurecht?«, fragte sie. »Wann hast du das letzte Mal was gegessen? Ich könnte vielleicht etwas vom Mittagessen abzweigen.«
    »Ich komme schon klar.« Mein Magen knurrte, und sie sog ihre Unterlippe zwischen die Zähne, wieder ganz die besorgte kleine Schwester.
    Dann aber nickte sie rasch und schlang ihre Arme um meinen Hals. »Pass auf dich auf!«
    »Du auch! Und geh nirgends allein hin, ja?« Ich erwiderte ihre Umarmung. Sie roch nach Seeveilchen und weißem Schmetterlingsingwer.
    »Versprich
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