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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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Aufenthalt in einem Behandlungszimmer der Gilde das Letzte, was ich brauchen konnte. »Tut mir leid, ich kann nicht. Ich muss nach Hause.«
    »Deine Familie wird Verständnis haben. Jetzt komm!« Flink wie eine Manguste griff er nach meinem Oberarm, und seine Augen weiteten sich, nur um sich gleich darauf zusammenzuziehen. »Du bist eine Löserin.«
    »Lass mich los!« Mein Gebrüll hallte in dem überkuppelten Vorraum wider. Perlengeschmückte Köpfe drehten sich herum, und alles blieb stehen und gaffte. Grüne Westen leuchteten vor grauen Schiefer- und Steinflächen auf, als immer mehr Leute innehielten, um zuzusehen. Ein Mann, der gerade hinter dem Ältesten hatte vorübergehen wollen, blieb stehen und musterte mich mit einem vagen Stirnrunzeln.
    »Hör auf zu zappeln, Mädchen. Ich werde dir nicht wehtun.«
    Aber das tat er bereits. Meine Haut brannte überall dort, wo sich seine Finger in meinen Arm gruben. O ihr Heiligen, war der stark!
    Die Mündel sahen mit weit aufgerissenen Augen zu. Die Menge gaffte. Niemand rührte einen Finger, um mir zu Hilfe zu kommen. Warum auch? Ich war nur eine Flussratte, und niemand stellte sich einem Ältesten in den Weg. Allerdings hätte ich das Mittagessen für eine ganze Woche gewettet, dass irgendjemand eingeschritten wäre, wenn mein Haar so schwarz gewesen wäre wie das einer Baseeri.
    »Loslassen, habe ich gesagt.« Ich trat ihm gegen das Knie und hinterließ dabei Hühnerscheiße auf seiner weißen Hose. Er ließ mich los und sog mit feuchtem Zischen Luft in seine Lungen.
    Ich rannte Richtung Nordtor, durchquerte den Rest der Eingangshalle und tauchte in das seitlich gelegene Foyer ab. Lehrlinge und Mündel wichen zur Seite, als ich mir einen Weg durch ihre Reihen bahnte, Keuchen und Geklimper übertönten die Anordnungen, die der Älteste mit Reibeisenstimme abfeuerte, aber ich konnte mir denken, wie sie lauteten: Wachen, haltet dieses Mädchen auf! Sperrt es ein, befragt es, verhört es, macht es fertig, findet heraus, ob es das Monster ist, von dem unsere Mündel berichten!
    Ich schob mich an einem Haufen Einlitzer vorüber und riss die Tür auf. Das Sonnenlicht fühlte sich nach Freiheit an, aber noch hatte ich das Terrain der Gilde nicht verlassen. Vor mir tauchte das Nordtor des Gildenhauses auf. Kupfer knirschte auf Stein, als ich mich hindurchzwängte.
    Mit pochendem Herzen mischte ich mich unter die Menschen, die gekommen waren, um sich heilen zu lassen. Auf dem kreisförmigen, mit Kalkstein gepflasterten Hof vor dem Gebäude hatten sich heute mehr von ihnen eingefunden, als ich sonst so früh am Morgen zu sehen bekam, aber es sah nicht so aus, als würden es viele schaffen hineinzugelangen. In Samt gehüllte Kinder spielten Fangen zwischen Großmüttern in geflickter Baumwolle. Ein Bauer in schmutziger Arbeitskleidung hielt eine blutige Hand vor der Brust. Dutzende Fischer, Soldaten, Händler und Diener vermengten sich wie das Eintopfgericht eines Bettlers. Unter Zuhilfenahme meiner Ellbogen bahnte ich mir einen Weg durch die Menge und lernte zwei neue Verwünschungen von einem der Soldaten, die an der Hauptbrücke auf Posten standen.
    Vom äußeren Rand des Gildeplatzes zweigten Brücken und Kanäle wie Radspeichen in den Rest von Geveg ab. Soldaten standen paarweise an jeder Ecke, einige davon aufrecht wie Pfeiler, andere lässig an Lampenpfähle gelehnt. Ein paar Gondeln hüpften am Ende eines der schwimmenden Docks auf und nieder, als einige Adlige aus Baseer an Land gingen, dicht gefolgt von ihren militärischen Adjutanten und ihren persönlichen Leibwächtern. Zur Linken dehnte sich funkelnd der See, so weit das Auge reichte. Schon jetzt war er mit allerlei Fischerbooten getüpfelt.
    Ich wurde langsamer, bemühte mich, der Aufmerksamkeit der zwei nächsten Soldaten zu entgehen. Glücklicherweise gehörten diese beiden zu der gelangweilten Sorte, und keiner sah auch nur zu mir herüber. Ich sprang über eine niedrige Steinmauer und verschwand unter der nächsten Brücke, zertrampelte beim Aufprall ein Kissen aus Wasserhyazinthen. Kaltes Wasser spritzte an meinen Beinen empor. Ich verschwand knietief im See, versteckt zwischen Blumen, und versuchte, nicht über Krokodile nachzudenken.
    In Anbetracht der Tatsache, dass ich gerade einen Ältesten getreten hatte, war das nicht so schwer. Ein Krokodil würde mich schnappen und unter Wasser ziehen, aber ein Ältester, der wütend auf mich war, könnte Tali aus der Gilde werfen. Er könnte sie zwingen, für die
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