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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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duckte mich, aber ich war nicht schnell genug.
    Schmerz fraß sich in meine Schläfe, und ich ging erneut zu Boden. Heclar hing, umgeben von silbernen Punkten, die vor meinen Augen tanzten, über mir, einen blau-schwarzen Pynvium-Knüppel in Händen.
    Der Anblick machte mich im Handumdrehen wieder munter. Ich konnte von Glück reden, dass er so geizig war, mich nur mit dem Knüppel zu schlagen, statt ihn an mir zu entladen. Die Waffe war zu schwarz, um aus reinem Pynvium zu bestehen, aber blau genug, um eine Menge Schmerz zu enthalten. Der Wirkung dieser Keule wollte ich ebenso wenig ausgesetzt werden, wie ich ins Gefängnis wollte.
    Er setzte eine höhnische Miene auf und zeigte mit dem Knüppel auf mich. »Ein Haufen Diebe seid ihr beide.«
    Ich griff zum Schienbein des Nachtwächters und zog, fügte Knochen zusammen und entriss seinem Fußgelenk jeglichen Schmerz, jeglichen Stich, jedes Zucken. Sein Schmerz rann durch meinen Arm, versengte mein Bein und fraß sich in mein eigenes Fußgelenk. Ja. Definitiv gebrochen. Mein Magen drehte sich um, aber er enthielt nichts, was ich hätte ausspucken können.
    Mit der freien Hand ergriff ich Heclars Bein und drückte. Der Schmerz, den der Nachtwächter sich nicht hatte anmerken lassen, raste durch meine andere Körperseite und ergoss sich aus meinen kribbelnden Fingern in Heclars Körper. Beinahe hätte ich ihm auch den Knöchelbrand verabreicht, aber dann hätten sich seine Hände verkrampft, und ein plötzlicher harter Griff um die Pynviumkeule könnte ihren Zauber freisetzen. Bei meinem Glück mochte das Ding durchaus versehentlich losgehen.
    Heclar schrie laut genug, um die Heiligen zu wecken. Um die Wahrheit zu sagen, was ich ihm da antat, war mehr, als er verdient hatte. Aber mich wegen zweier Eier, die ich noch gar nicht gestohlen hatte, ins Gefängnis zu schicken war auch mehr, als ich verdient hatte. Die Heiligen können schon ziemlich komisch sein.
    Ich ließ beide Männer in dem Hühnerfutter und den Federn liegen und brachte mich in Sicherheit. Nur fünf Schritte bis zum Tor, dann noch fünf bis zur Bauernmarktbrücke. Hatte ich die Brücke erst überquert, wäre ich weg von der Insel und im Zentrum von Geveg, wo es leichter war, sich zu verstecken. Vorausgesetzt, ich fiel nicht schon vorher in Ohnmacht.
    Am Fuß der Brücke starrten mir zwei Jungs, gewandet in das Grün der Heilergilde, verblüfft entgegen. Schlitternd kam ich zum Stehen und sah mich über die Schulter um. Von hier aus konnte ich den Nachtwächter und den plärrenden Hühnerzüchter klar und deutlich erkennen. Die Jungs hatten mich zweifellos bei meinem Tun beobachtet.
    »Wie hast du das gemacht?«, fragte einer der Jungs, groß und dürr, doch mit Augen, die für so einen jungen Menschen zu hart wirkten. Einen Burschen, der zu jung war, um ein Lehrling zu sein. Also ein Mündel. Seit dem Krieg trieben sich viele Waisen in Geveg herum. So wie ich.
    »Ich habe ... gar nichts gemacht.« Das Atmen verlangte mir mehr Kraft ab, als ich hatte. Ich hielt mir die Seite, als ich mich an ihnen vorbeischob und mich zugleich nach Lehrherren oder dem lästigen Begleitschutz umblickte, der üblicherweise wie Schilfrohrsaft an den Mündeln klebte. Wenn einer von ihnen tatsächlich gesehen hatte, dass ich Schmerz übertragen hatte ... ich schauderte.
    »Hast du wohl!« Der andere Junge nickte bekräftigend, und sein rotes Haar fiel ihm in die Augen. Mit einer sommersprossigen Hand strich er es zurück. »Du hast dem einen Mann den Schmerz genommen und ihn dem anderen gegeben. Du hast geschiftet. Wir haben es gesehen!«
    »Nein, habe ich nicht ... ich hab ihn in den Fuß gestochen ... mit einem Nagel.« Ich beugte mich vor, die Hände auf die Knie gepflanzt. Wieder sah ich die silbernen Flecken am Rande meines Blickfelds, wie sie sich von der Seite an mich heranschlichen. »Wenn ihr genau hinseht ... könnt ihr immer noch das Blut sehen.«
    »Ältester Len sagt, Schifter gibt es nicht, das wär alles nur ein Märchen. Aber du kannst das wirklich, nicht wahr?«
    Ich war nicht sicher, welche Heilige für das Glück zuständig war, aber ich muss ihr irgendwann in meinen fünfzehn Jahren übel auf die Füße getreten haben. »Ihr Jungs geht besser zurück zu eurer Gilde ... ehe der Erhabene herausfindet, dass ihr euch frühmorgens draußen rumtreibt.«
    Beide erbleichten, als ich den Erhabenen erwähnte. Wir bekamen jedes Jahr einen neuen, eine Art Erprobungszeit, die die Heiler des Herzogs durchmachen mussten,
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