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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig
Autoren: Roberta Rich
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Zurückkehren wollte er mit einer Ladung Gewürze, die sich wiederum in Venedig gewinnbringend absetzen ließen. Nicht einkalkuliert hatte er allerdings, dass sein Schiff unter Feuer genommen und von schreienden, Schwerter und Musketen schwingenden Söldnern im Dienste des Malteserordens gekapert werden würde, die nach Alkohol, Schweiß und Religion stanken.
    Zwanzig waren es gewesen, brutale, wilde, haarige Männer mit Kruzifixen um den Hals und Herzen voller Hass und Gier, Hass auf die Ungläubigen und Gier auf die wertvolle venezianische Ladung. Der Geruch des Schießpulvers aus ihren Donnerbüchsen füllte die Luft. Ein Großteil der Seeleute wurde ermordet, bevor sie richtig begriffen, was da geschah, und Gott um Vergebung für ihre Sünden bitten konnten. Isaak dachte, auch er würde im nächsten Moment schon sein Blut auf dem Vorderdeck gerinnen sehen, aber Gott hatte andere Pläne mit ihm, und in den nachfolgenden Monaten lernte er die Macht Seiner Strafe kennen.
    Jetzt war er in Valletta, der Hauptstadt Maltas, der Festung des Malteserordens, und während ihrer langen Nächte und endlosen Tage im Gefängnis erklärte ihm Simón, ein Mitgefangener und aschkenasischer Jude wie er, Karl V. von Spanien habe dem Orden die felsige, windige Insel 1530 geschenkt, damit sie nicht den ungläubigen Türken in die Hände fiel. Den Maltesern gelang es, das Eiland gegen die Raubgier der Osmanen zu verteidigen, im Laufe der Jahre aber wurden sie selbst habgierig. Trunken von ihren Siegen, nutzten sie den Vorwand, die Insel schützen zu müssen, nicht nur dazu, osmanische Schiffe zu kapern, sondern griffen an, bei wem immer sie reiche Beute vermuteten. Selbst christliche Schiffe raubten sie aus und ermordeten oder versklavten, wen sie an Bord fanden, ob reich oder arm, Handelsmann oder Diener, Frau oder Kind. Sie nannten sich Ritter, waren aber kaum etwas anderes als Piraten, die es durch Verbrechen im Namen der heiligen Kreuzzüge zu Reichtum gebracht hatten.
    Das Leben Isaaks und Simóns – und etlicher anderer – hatten die Malteser geschont, weil sie im Austausch für sie mit Lösegeld rechneten. Sie waren gefesselt in den Laderaum eines Schiffes geworfen worden, dessen Boden so voller Rattenexkremente lag, dass man sich kaum auf den Beinen halten konnte. Viele Tage und Nächte lang machten die Fesseln und das Schlagen der Segel jeden Schlaf unmöglich, und der Gestank des Pechs und des verrottenden Holzes setzte Isaaks Magen zu. Dazu waren die stampfenden und rollenden Bewegungen des Schiffes unten im Laderaum besonders schwer zu ertragen, und Isaak brach alles aus sich heraus, bis nur noch Galle kam.
    Auf Malta schmachtete er in einer Steinzelle, die nicht größer war als das Bett, das er und Hannah sich zu Hause geteilt hatten. Der Boden bestand aus festgetretener Erde, und das vergitterte Fenster war so klein, dass es kaum Licht hereinließ, nicht mal zur Mittagszeit.
    Schlimmer noch als das Essen war das Warten, die zäh sich dahinziehende Ewigkeit in diesem stinkenden Loch, den Hungertod vor Augen, ihn halb erhoffend; doch jetzt hatte es damit ein Ende. Er sollte bei der Sklavenauktion auf dem Hauptplatz an den Meistbietenden verkauft werden, dem er so lange gehören würde, bis die Nachricht seiner Gefangennahme Venedig erreicht hatte und mit der Gesellschaft zur Befreiung Gefangener dort sein Lösegeld ausgehandelt worden war. Wenn es bezahlt war, kam er frei, das hieß, wenn er bis dahin überlebte – das war keineswegs die Regel, galt ein Sklavenleben hier doch so gut wie nichts.
    Isaak sah durch das Gitterfenster der Tür in den Korridor, der bis auf die Staubnester auf dem Boden leer war, und dachte über das nach, worüber er immer nachdachte: seinen Fluchtplan. Sonst gab es kaum etwas, womit er sich beschäftigen konnte, solange er an die Wand seiner Zelle gekettet war.
    Er hörte Schritte und das Rasseln von Schlüsseln. Die Tür seiner Zelle öffnete sich, und zwei Wärter kamen herein. Einer der beiden packte ihn und zog ihn auf die Füße. Der andere überprüfte seine Fußfesseln, zerrte ihn aus der Zelle und stieß ihn den Korridor hinunter, eine lange, grobe Steintreppe hinauf und schließlich ins Freie. Gleißendes Sonnenlicht umfing ihn, Isaak kniff die Augen zusammen, und gemeinsam mit einer Reihe anderer Gefangener, einschließlich seines Freundes Simón, wurde er vom Palast des Großmeisters, in dessen Verlies sie gesessen hatten, auf den Marktplatz geführt, wo eine Plattform errichtet
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