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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig
Autoren: Roberta Rich
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zurückkommen, sich neben sie legen, sie in den Arm nehmen und sein kleines Vögelchen nennen. Wie früher. Bis dahin würde sie auf ihrer Seite des Bettes bleiben und warten.
    Mit den geschickten, schnellen Bewegungen einer Frau, die es gewohnt ist, sich hastig anzukleiden, schlüpfte sie in ihre weite Cioppà, legte die Decke zurück und stricht sie sanft glatt, als schlummerte Isaak noch immer darunter.
    Während sie auf das dumpfe Geräusch der Schritte und das Klopfen an der Tür wartete, entzündete sie ihr Kohlenbecken. Ihre Finger waren vor Kälte und Nervosität so ungeschickt, dass sie Schwierigkeiten hatte, den Zunder mit dem Feuerstein in Brand zu setzen. Endlich glomm das Feuer, loderte auf, brannte und wärmte den Raum, bis sie ihren Atem nicht länger in der Luft sehen konnte. Durch die Wand hörte sie das sanfte Schnarchen der Nachbarn mit ihren vier Kindern.
    Wieder schaute sie durch die Gucklöcher. Der große Mann erhob seine Stimme, drehte sich um und kam auf ihr Haus zu. Der kleinere, stämmige folgte ihm und musste für jeden Schritt des großen zwei machen. Sie hielt den Atem an. Wenn Vicente ihnen doch nur sagen würde, dass das, was sie von ihr wollten, unmöglich war!
    Um sich zu beruhigen, strich sie sich über den Leib, nahm ihre Beckenknochen unter dem Nachthemd wahr und verwünschte ihren flachen Bauch. Kurz verspürte sie einen Anflug von Übelkeit, und für einen Moment wallte Freude in ihr auf, als rührte sich da ein Kind in ihr, aber es waren der Nachttopf und der Schimmel an den Wänden, die ihr den Magen reizten, keine Schwangerschaft. Sie hatte ihre Tage und würde sich in der nächsten Woche in der Mikwe reinigen, dem rituellen Bad, das alle Spuren des Bluts von ihr entfernte.
    Die wacklige Treppe draußen erzitterte, und Hannah hörte, wie gedämpfte Stimmen sich ihrer Tür näherten. Sie schlang die Arme um den Leib und versuchte zu verstehen, was sie sagten. Sie riefen ihren Namen, als sie an die Tür klopften, worauf Hannah sich am liebsten im Bett verkrochen und so getan hätte, als schliefe sie tief und fest. Ihre Nachbarin, die im letzten Jahr Zwillinge bekommen hatte und ihre Ruhe brauchte, hämmerte gegen die Wand.
    Hannah drehte sich das Haar zu einem Knoten und steckte es mit einer Nadel fest. Bevor die Männer ihr die Tür eintraten, kam sie ihnen lieber entgegen. Sie öffnete, bereit, Vicente um Hilfe zu rufen. Stattdessen jedoch schlug sie überrascht die Hand vor den Mund. Zwischen den beiden Christenmenschen, die bleich wie Pergament waren, stand der Rabbi. Hannah wich einige Schritte in ihr Zimmer zurück.
    Rabbi Ibrahim küsste seine Finger und berührte damit die Mesusa, den kleinen Schriftbehälter mit den Thora-Versen am rechten Türpfosten. »Schalom Alechem, und vergib uns, Hannah, dass wir stören.« Auch der Rabbi hatte sich hastig angekleidet, die Enden seines Gebetsschals hingen auf völlig unterschiedlicher Höhe und seine Jarmulke saß schief.
    »Alechem Schalom«, antwortete Hannah. Sie wollte dem Rabbi schon eine Hand auf den Arm legen, konnte sich aber gerade noch zurückhalten. Eine Frau durfte einen Mann, der nicht zur Familie gehörte, nicht berühren, selbst außerhalb der Zeit ihrer Monatsblutungen nicht.
    »Diese Männer müssen mit dir sprechen. Dürfen wir hereinkommen?«
    Hannah hielt den Blick gesenkt, wie sie es immer in Gegenwart von Männern tat, die nicht Isaak waren. Sie sollten nicht hereinkommen. Sie war nicht richtig angekleidet, und ihr Zimmer war zu klein für sie alle.
    Ihre Stimme klang höher als gewöhnlich, als sie den Rabbi fragte: »Geht es Eurer Frau besser? Ich habe gehört, dass sie an Gicht leidet und seit letztem Sabbat das Bett hütet.«
    Der Rabbi hatte einen Buckel, und seine Kleider rochen wie die eines Mannes, dem eine gesunde Frau fehlte, um sie zu lüften und ihn selbst davon abzuhalten, sich die ganze Nacht bei Kerzenlicht über die Thora zu beugen. Vielleicht, dachte Hannah, war Rivka am Ende doch, wie sie es schon so oft angedroht hatte, nach Rom gezogen, ins jüdische Viertel, wo ihr Sohn lebte.
    Der Rabbi zuckte mit den Schultern. »Rivka kann Hände und Füße nicht bewegen, aber leider noch ihre Zunge. Ihre Worte sind schneidend wie Schwerter.«
    »Es tut mir leid, das zu hören.«
    Die ehelichen Probleme des Rabbis blieben keinem verborgen, der in Hörweite seiner Wohnung lebte. Er und Rivka schienen in ihren gemeinsamen vierzig Jahren nicht einen friedvollen Augenblick erlebt zu haben.
    »Signori,
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