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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig
Autoren: Roberta Rich
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gehört. Doch sie wirbelte herum und war kurz davor, ihn ein Schwein und einen Hurensohn zu nennen, räusperte sich dann aber und richtete sich, einer inneren Stimme folgend, an seinen Bruder.
    »Conte, für zweihundert Dukaten gehe ich mit zu Eurer Frau.«
    Jacopo ließ ein schnaufendes Lachen hören.
    Hannah hielt den Blick auf den Conte gerichtet, der nicht lachte. Seine Brauen zogen sich zusammen, während er über ihre Forderung nachdachte. Es war eine unglaubliche Summe. Mit zweihundert Dukaten ließen sich hundert Ballen bedruckter Seide kaufen, eine Schiffsladung Holz – oder Isaaks Leben. Niemand, nicht mal ein Adliger, würde so viel für ihre Dienste zahlen. Ein paar Silbermünzen waren ihr gewohnter Lohn.
    Das würde die Diskussion beenden und den Conte zurück in seinen Palazzo schicken. Der Rabbi hatte recht. Wenn es Hannah nicht gelang, die Contessa zu retten, würden die Inquisitoren sie an den hinter dem Rücken gefesselten Händen in die Luft ziehen. »Strappado« nannte man das.
    »Mein Mann wird vom Malteserorden auf Malta gefangen gehalten, als Sklave. Ich brauche das Geld für seine Freilassung. Ich werde versuchen, das Leben Eurer Frau zu retten, wenn Ihr das Leben meines Mannes rettet.«
    Hannah sah die Wut in den Augen des Rabbis. »Hannah, wie ich dir bereits gesagt habe«, beschwor er sie mit langsamer, eindringlicher Stimme, »wird die Gesellschaft für die Befreiung Gefangener das Geld für Isaak aufbringen. Es ist nur eine Frage der Zeit.«
    »Und die Zeit wird knapp«, sagte Hannah.
    Der Rabbi hob drohend seine steife, blaugeäderte Faust. »Deine erste Pflicht besteht darin, nichts zu tun, was das Ghetto in Gefahr bringen könnte. Isaak ist nur ein Jude, im Ghetto leben dreitausend.« Er war Hannah jetzt so nahe, dass sie die Wärme seines Atems auf ihrem Gesicht spüren konnte. »Ich bin dein Rabbi, und ich verbiete es dir. Damit ist die Sache beendet.«
    Das waren die Hände, die sie so oft gesegnet hatten, die ihre Brüder beschnitten und ihr am Seder-Abend den silbernen Kiddusch-Becher an die Lippen geführt hatten.
    »Rabbi, ich habe nicht mit dreitausend Juden unter dem Hochzeitsbaldachin gestanden, sondern nur mit einem, mit Isaak.« Ihrem Mann, der sie, wie sie noch hinzufügen wollte, auch ohne Aussteuer geheiratet hatte und sie trotz ihrer Unfruchtbarkeit immer noch liebte. Sie hatte gehört, wie der Rabbi ihm in der Synagoge versicherte, das Gesetz würde ihn aus seiner kinderlosen Ehe befreien. Geradezu gedrängt hatte er ihn, sich von ihr scheiden zu lassen und sich eine Frau zu suchen, die ihm einen Sohn schenken würde. Isaak hatte daraufhin nur seinen Gebetsschal etwas fester um den Hals gezogen und den Kopf geschüttelt. Die meisten Ehemänner hätten keine solche Geduld gezeigt, denn ist ein Kind nicht das Tachlit, der Lebenszweck aller Frauen?
    Und wie hatte sie es ihrem Mann gedankt? Ihrem Mann, der die Schröpfgläser aus dem Schrank geholt, sie über einer Kerze angewärmt und ihr auf den Rücken gesetzt hatte, wenn sie nach Stunden am Bett einer in den Wehen liegenden Frau mit schmerzendem Rückgrat nach Hause gekommen war? In der Woche vor Isaaks Abreise hatte sie ihn mit einer wahren Flut verletzender Worte überschüttet und gesagt, wenn er sie wirklich liebe, würde er nicht in die Levante segeln, um nach Geld und Wohlstand zu streben, nein, dabei denke er nur an sich und lasse sie im Stich. Die Worte, die er erwiderte, waren wie Messerstiche. Er sagte, sie sei eine kleine, ängstliche Ghettomaus, zu ergriffen von Furcht, um ihr Glück zu versuchen, und dass er sein Leben für sie riskiere und dafür, dass sie beide ein besseres Leben fänden. Danach sagten sie nichts mehr, sahen sich nicht mehr an und schliefen so weit voneinander entfernt im Bett wie nur möglich. Sie hatte sich sogar geweigert, ihn zu seinem Schiff, der Dogaressa , zu bringen. Aber heute war ihr der Gedanke an ihn, wie er allein auf Malta saß und glauben musste, sie liebte ihn nicht mehr, schier unerträglich. Wenn der Conte die zweihundert Dukaten bezahlte, würde sie mit ihm gehen. Da konnte der Rabbi so wütend werden, wie er wollte.
    »Werdet Ihr mir bezahlen, worum ich Euch bitte?«, fragte sie den Conte.
    »Ja, ich werde diese haarsträubende Summe bezahlen«, antwortete er. »Dann kann sie nach Malta fahren und ihren Mann freikaufen, bevor er sich in den Steinbrüchen zu Tode schuftet.« Er nahm seinen Mantel.
    Hannah hatte keine Zeit, sich über seine Einwilligung zu wundern. Sie
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