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Die Haie vom Lotus-Garten

Die Haie vom Lotus-Garten

Titel: Die Haie vom Lotus-Garten
Autoren: Stefan Wolf
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Schaufenster nicht
erleuchtet. Nur wenige Passanten trotteten gesenkten Kopfs ihrem Ziel entgegen:
nach Hause, ins Kino oder zu einem Restaurant.
    Rath-Stubenfrey stolperte. Er
blieb stehen, stützte sich gegen eine Hauswand und nestelte am Schal. Der Hut
saß etwas schief auf dem Kopf, der Mantel war nicht zugeknöpft.
    „Gleich macht er schlapp“,
flüsterte Michaela.
    „Er geht in unsere Richtung“,
erwiderte Traugott. „Prima.“
    Damit meinte er die Richtung,
in der sie ihren Wagen geparkt hatten, einen uralten Kastenwagen, einen
sogenannten Kleinbus für Lieferanten. Er hatte keine Seitenfenster außer denen
vorn, aber eine beschädigte Hecktür und abgefahrene Winterreifen.
    Rath-Stubenfrey versuchte einen
Schritt und sackte in die Knie.
    Sofort waren die beiden neben
ihm.
    „Ist Ihnen nicht gut?“ fragte
Traugott.
    Seine Stimme bebte, aber das
fiel dem Opfer nicht auf. Rath-Stubenfrey war schon halb betäubt. Ein schwarzer
Vorhang schien sich über die Augen zu senken. Pudding in den Beinen, Leere im
Kopf, und die Stimme krächzte.
    „Mir... mir ist schlecht.“
    „Wir helfen Ihnen“, versprach
Michaela.

    Sie hatten ihn untergehakt auf
beiden Seiten. Er wurde vorwärts gezerrt. Niemand sah es.
    Etwa 20 Schritte bis zum Wagen.
Die Hecktür war offen. Sie luden ihn ein wie einen Sack voller Abfall.
    Michaela schloß die Tür. Im
Laderaum, in den niemand von außen einsehen konnte, wurde der Bewußtlose — er
war jetzt wie narkotisiert — auf den Boden gelegt.
    Traugott prüfte den Puls an
Rath-Stubenfreys Handgelenk.
    „Kräftig und ruhig. Es schadet
ihm nicht.“
    Dann zogen sie ihm die
Brieftasche aus dem Jackett, und die Erwartungen wurden im hohen Maße erfüllt.
    Als der Mann vorhin bezahlte,
hatte Traugott drei Kreditkarten in seiner Brieftasche gesehen. Tatsächlich
waren es vier.
    Michaela nahm sie.
Entsprechendes Gerät stand bereit. Rasch und geübt kopierte sie die
Plastikkarten mit den kleinen Maschinen, übernahm also alle wichtigen Daten —
und machte auch eine Ablichtung der Unterschrift. Dann wurden die Karten in die
Brieftasche zurückgesteckt, und sie fand ihren Platz wieder in Rath-Stubenfreys
Jacke.
    Traugott träufelte dem
Bewußtlosen Tropfen auf die Zunge. Das Gegenmittel. Bald würde der Mann munter
sein wie ein aufgeschreckter Floh.
    Sie warteten.
    Traugott hatte die Hecktür
spaltweit geöffnet.
    Ein Streifenwagen fuhr vorbei,
und ein eisiger Hauch schien hereinzudringen, unter dem die beiden Trickdiebe
schauderten.
    Das Opfer bewegte sich.
    „Gemütlich!“ brabbelte
Rath-Stubenfrey.
    Offenbar träumte er von dem
einfältigen Gerede seiner Tischnachbarn im Café.
    Traugott stieg aus. Sein Herz
klopfte wie wild.
    Ich brauchte das Pulver, dachte
er. Oh, dieser Streß! Eines Tages werden sie uns erwischen. Dann ist alles aus.
Verpfuschtes Leben. Vielleicht kriegen wir mildernde Umstände. Vielleicht. Aber
jetzt können wir nicht aufhören. Sie würden uns fertigmachen. Vernichten!
Lumpenpack, elendes!
    Der Streifenwagen war nicht
mehr zu sehen, die Straße leer.
    „Mach schon!“ sagte Michaela.
„Er wird wach.“
    Sie zerrten ihn ins Freie.
Untergehakt wurde er zum nächsten Hauseingang geschleppt. Dort war ein
abschirmender Mauervorsprung. Rath-Stubenfrey wurde auf die Stufen gesetzt und
an die Tür gelehnt.
    „Gemütlich!“ murmelte er und
ließ den Kopf auf die Brust hängen.
    Michaela setzte ihm den Hut auf
und zog ihn fest auf die Ohren.

4. Im Parkhaus
     
    Die Telefonzelle Besenkammer im langen Parterre-Flur des Internats war früher tatsächlich eine Besenkammer
gewesen, eng, miefig, die Wände holzverschalt. Tim hatte sich nie daran
gestört, aber jetzt erschien sie ihm plötzlich wie ein Käfig, in den er
eingesperrt war.
    Das Holz roch absonderlich, die
Luft schien zu kochen. Und er brauchte einen Moment, um zu begreifen, daß sich
hier nichts verändert hatte. Nur sein Gefühl war nicht wie sonst. Übermut und
Draufgängertum hatten sich in lähmende Sorge verwandelt. In Sorge um Gaby.
    Reiß dich zusammen, Peter
Carsten! befahl er sich. Durch das kleine Fenster sah er auf den Flur.
    Klößchen stand dort. Er blickte
fragend. Tim schüttelte den Kopf und schob dann die Tür auf.
    „Gaby ist nicht zu Hause.“
    „Dann... hat er sie also
tatsächlich erwischt.“
    „Irgendwo unterwegs. Sie und
Oskar. Von der Bushaltestelle bis zu Glockners sind’s an die 300 Meter.“
    „Aber die Straße ist
beleuchtet.“
    „Was hilft das, wenn der
Mistkerl in einem
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