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Die Haie vom Lotus-Garten

Die Haie vom Lotus-Garten

Titel: Die Haie vom Lotus-Garten
Autoren: Stefan Wolf
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jemand seinen Giftmüll entsorgt?“
    Gaby bückte sich und zog Oskar
die Tasche weg. Der Reißverschluß war geschlossen.
    „Sie ist schwer, Tim.“
    „Wir sehen nach. Aber du gehst
bitte beiseite. Bis zu dem Baumstumpf dort.“
    „Rechnest du mit einer Bombe?“
    „Eigentlich nicht. Aber wenn
doch — dann genügt mein Abgang. Behalt mich bitte in guter Erinnerung!“
    „Mach nicht solche Witze.“
    „Bis zum Baumstumpf. Gaby! Ich
bitte dich!“
    „Laß sie zu! Wir nehmen sie mit
ins Präsidium.“
    „Damit man dort über uns lacht
— falls nur alte Zeitungen drin sind?“
    Er hatte an der Tasche gehorcht
und dort nichts vernommen — nur das Raunen im Winterwald war zu hören und das
Knacken der Zweige.
    Durch den Stoff fühlte er
Papierenes, Weiches wie Wolle und einen metallischen Kasten.
    Hm, hm. Tim legte sich flach
auf den Bauch. Gaby war jetzt weit genug entfernt. Mit einem Arm schirmte er den
Kopf ab. Mit der anderen Hand zog er den Reißverschluß auf.
    Nichts passierte.
    Oskar, von Gaby am Halsband
gehalten, hechelte.
    Tim richtete sich auf und sah
in die Tasche.
    Ich glaub’ es nicht, dachte er.
Ist das vom Nikolaus? Oder wie dürfen wir das verstehen?
    „Gaby“, sagte er, „die Tasche
ist voller Geld. Nur Scheine. Massenhaft. Hauptsächlich Hunderter. Das ist
Kohle satt. Wahnsinn! „
    Sie kam heran, sah’s und
bestätigte, es sei Wahnsinn, wohl ein 100 000-Mark-Wahnsinn.
    „Tim, vielleicht ist es
Falschgeld.“

    Er prüfte drei Scheine, indem
er sie gegen das schwindende Tageslicht hielt.
    „Die sind echt, würde ich
sagen. Die könnten wir überall ausgeben.“
    „Nichts geben wir aus.
Wahrscheinlich ist es Lösegeld — und dies der Ort der Übergabe. Du, wir sind da
in was reingeraten.“
    Er zog ein wollnes Gebilde
heraus. Es war schwarz, hatte aber einige weiße Verzierungen, nämlich ein
Norweger-Strickmuster.
    „Eine Sturmhaube“, sagte Tim
mit düsterer Stimme, „die moderne Art, um sich zu maskieren. Bei
Banküberfällen, bei Terroranschlägen, bei Überfällen überhaupt. Nur die
Sehschlitze zeigen ein bißchen was vom Gesicht. Alles andere bleibt verborgen.“
    „Mein Papi ist
Kriminalkommissar“, erwiderte Gaby spitzmündig. „Ich bin informiert.“
    „Dann weißt du auch, wem dieser
Kopf- und Ohrenschützer gehört?“
    „Dem Bankräuber, natürlich. Dem
vom Bankhaus Schneider-und-Pleitzke.“
    Tim nickte. Die Sache war
Stadtgespräch. Der örtliche Rundfunksender und auch das Lokal-Fernsehen hatten
es in den Mittagsnachrichten gebracht.
    Ein unbekannter Bankräuber — er
wurde so genannt, obwohl es eigentlich ein Einbrecher war — hatten einen
Maulwurfscoup gelandet, nämlich in sicherlich wochenlanger Arbeit einen Tunnel
gegraben: vom Keller einer leerstehenden Wohnung im Nachbarhaus bis unter den
Schließfachkeller von Schneider & Pleitzke.
    In der Nacht zu heute war er
dann durch das Fundament, also von unten, in besagten Sicherheitsraum
eingedrungen. Dort befinden sich die Schließfächer der Bankkunden, also
stählerne Klein-Safes, die man mieten kann, um all die Wertgegenstände
aufzubewahren, die zu Hause nicht rumliegen sollen. Das kann Schmuck sein, ein
Dokument, die Briefmarkensammlung oder Geld.
    Der Bankräuber hatte ein
Dutzend Schließfächer aufgebrochen — mit mitgebrachten Spezialwerkzeugen. Doch
dann war er gestört worden. Ein leitender Angestellter des Bankhauses war
nämlich an diesem Sonntagmorgen in sein Büro gekommen, um einen drängenden
Arbeitsrückstand aus der vergangenen Woche aufzuholen. Der Mann glaubte erst,
er höre Gespenster, denn im Keller kreischte ein Stahlbohrer, ging dann
hinunter, um nachzusehen — und fiel vor Schreck beinahe um.
    „Was machen Sie dann da?“ hatte
der Banker gebrüllt, als er den Einbrecher von hinten sah.
    Eine Antwort erfolgte nicht.
Statt dessen streifte sich der Verbrecher seine Strumpfmaske über den Kopf —
die schwarze mit dem weißen Norweger-Muster ergriff die Leinentasche mit der
Beute und türmte durch seinen Tunnel.
    Als der Mann dann aus dem Nachbarhaus
stürmte, trug er noch immer die Sturmhaube, was verräterisch war trotz des
kalten Wintertages. Der Zufall wollte es, daß sich ein Streifenwagen in der
Nähe befand. Der Banker hatte die Polizei alarmiert, und der Streifenwagen
machte sich sofort an die Verfolgung, dann der Bankräuber floh in einem weißen
Audi, einem gestohlenen Fahrzeug, wie sich bald herausstellte.
    Die wilde Jagd spielte sich
südlich der Großstadt ab, aus der
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