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Die Haie vom Lotus-Garten

Die Haie vom Lotus-Garten

Titel: Die Haie vom Lotus-Garten
Autoren: Stefan Wolf
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schaurigen Abend radelte er durch die romantischen
Altstadt-Straßen, wo die Glockners wohnen. Er bog ein bei der Burgfeld-Gasse,
wich einem anderen Radfahrer aus und fuhr weiter bis zu Margot Glockners
kleinem Laden, der eigentlich ein Tante-Emma-Laden ist, auch wenn es dort
frisches Obst und erlesene Delikatessen gibt. Gabys Mutter hängt an diesem
Lädchen und betreibt es mit Hingabe.
    Karl blickte zu den Fenstern
der Wohnung hoch. Dort war alles dunkel. Nur im Geschäft brannte Licht, und
hinter der Schaufensterscheibe standen freundliche Weihnachtsmänner
unterschiedlicher Größe: Schokolade und Marzipan, umhüllt von buntem Papier.
Der größte Weihnachtsmann hätte Karl bis zum Knie gereicht.
    Ein heller BMW näherte sich.
Karl erkannte ihn als den Glocknerschen Wagen. Er hielt am Bordstein, und die
Insassen stiegen aus: die aparte Margot Glockner im braunen Webpelzmantel, der
Kommissar und — Karl traute seinen Augen nicht — Gaby samt Oskar.
    Sie kam sofort auf ihn zu.
    „Hallo, Karl! Ist das Zufall?
Oder...“
    „Nein!“ rief er. „Wir denken,
der Bankräuber hat dich entführt und... Guten Abend, Frau Glockner!“
    Sie gab ihm die Hand. Auch
Gabys Vater kam heran und begrüßte Karl, der sofort erzählte und sich aufs
Wesentliche beschränkte.
    „Also ein erpresserischer
Betrug“, stellte der Kommissar fest. „Gaby war telefonisch nicht erreichbar,
weil sie uns vom Bahnhof abgeholt hat. Der Bankräuber von
Schneider-und-Pleitzke wurde übrigens schon heute nachmittag gefaßt, wie mir
Kollegen aus dem Präsidium telefonisch mitgeteilt haben. Er hatte Werkzeug in
der Bank zurückgelassen — Werkzeug, das auf ihn hinwies. Ich vermute, hinter
der Beute-Erpressung steckt tatsächlich dieser Schüler. Kannst du Tim mit dem
CB erreichen?“
    „Klößchen hat das zweite
Gerät.“
    „Wir fahren hin.“
    Glockner öffnete die hintere
Wagentür; und Karl sah erst jetzt, daß noch jemand drinsaß: Edeltraut Ehmann,
Gabys Freundin.
    Offenbar hätte der Kommissar
sie nach Flause gefahren. Aber jetzt wurde das aufgeschoben, und Edeltraut —
eine braunhaarige 14jährige mit großen, immer etwas erschreckt blickenden Augen
— mußte aussteigen und bei Frau Glockner warten. Auch Oskar blieb hier.
    „Ich will mit zu Tim“, forderte
Gaby.
    Karl legte sein Rad in den
Kofferraum. Die drei stiegen ein.
    Während sie losfuhren, stellte
der Kommissar ergänzende Fragen; und Karl erzählte auch von dem
Rechtschreibfehler in der Mitteilung des Erpressers, was möglicherweise ein
Hinweis war. Ein Hinweis auf Frank Plunder.
     
    *
     
    Im Parkhaus herrschte
bedrückende Stille. Tim hielt unwillkürlich den Atem an und starrte ins
Zwielicht auf dem Parkdeck. Schatten schienen sich dort zu bewegen. Aber das
war eine optische Täuschung. Dann surrte der Lift in den unteren Etagen. Also
war doch etwas Betrieb. Kam der Verbrecher? Würde er scheinbar zufällig in die
linke hintere Ecke schlendern — oder erst alles absuchen, ob die Luft rein ist?
    Tim bemühte sich, cool zu sein.
Aber sein Blut siedete. Wenn es um Gaby ging, war er der verletzlichste Typ auf
der Welt. Wer ihr etwas antat, hatte in Tim einen Todfeind.
    Weil ich verdammt viel für sie
empfinde, dachte er. So ist das nun mal. Für Gaby würde ich ins Feuer springen
oder bei stürmischer See über Bord.
    Da! Er lauschte. Ein Geräusch!
    Leise, flinke Schritte kamen
die Ausfahrt herauf.
    Jetzt sah er den Umriß einer
Gestalt. Geduckt bewegte sie sich hinter geparkten Wagen. Der Größe nach konnte
es Frank Plunder sein. Auch die Bewegungen paßten. Der Typ trug eine Windjacke
mit Kapuze, blieb stehen, sah sich um.
    Tim hatte die Tür nur einen
Zentimeter weit geöffnet und quetschte ein Auge an den Spalt.
    Der Typ verharrte. Dann lief er
los, und sein Ziel war die linke hintere Ecke.
    Wieder surrte unten der Lift.
    Tims Muskeln spannten sich. Er
spürte die Riemen des City-Bags, der jetzt leer war, und den harten kantigen
Druck des CB-Geräts im Bund der Winterjeans.
    Der Typ verschwand aus seinem
Blickfeld. Als er wieder auftauchte, trug er die Leinentasche. Hastig lief er
zur Ausfahrt, die bekanntlich nur für Fahrzeuge ist und nicht für Fußgänger.
    Tim stieß die Tür auf und
sprintete los.
    Die Entfernung zu dem
Kapuzentyp betrug 50 Meter. Der sah Tim, war augenblicklich in Panik und sauste
zur Ausfahrt.
    Schiet! dachte Tim. Er hat mich
zu früh entdeckt.
    Der Typ verschwand hinter der
Betonmauer, Tim preschte hinterher, war schneller, erreichte jetzt
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