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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben
Autoren: Ingrid Noll
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aber sie meldete sich nicht.
    Ich mochte kein zweites Mal übernachten, im Grunde war ich Hotelzimmer seit der Entführungsnacht gründlich leid. Zwar war es eine weite Strecke bis nach Hause, aber ich wollte im eigenen Bett schlafen und nicht noch einmal ein eingeschlagenes Fenster oder gar ein geraubtes Kind beklagen.
     
    Tief in der Nacht kamen wir in Florenz an. Ich war übermüdet und gleichzeitig überdreht. Emilia hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie mich kaum entlastet hatte. »Geh nur schlafen«, bot sie mir an, »ich bringe Béla ins Bett und hole das Gepäck, du brauchst dich um nichts mehr zu kümmern.«
    Ich nahm ihr Angebot an.
    Im Haus war es dunkel, Cora schlief bestimmt. Ich zog mich aus, putzte mir die Zähne und öffnete mein Schlafzimmerfenster. Plötzlich hatte ich das dringende Bedürfnis, Cora schnell zu sagen, daß wir wohlbehalten zurück waren. Sie würde beruhigt wieder einschlafen.
    Leise schlich ich in ihr Zimmer und knipste das Licht an. Sie schlief fest, die roten Haare ringelten sich über das Kopfkissen; ich war gerührt und wollte sie nun doch nicht wecken.
    Gerade als ich die Lampe ausschalten wollte, entdeckte ich neben ihr einen dunklen Schopf. Don! Ich fuhr mir über die Augen, um das Trugbild zu vertreiben, und spähte noch einmal hinüber - Ruggero?
    Das Licht weckte Cora. Sie setzte sich auf, lächelte verschlafen und gleichzeitig hinterlistig. Beim Hochrecken rutschte die gemeinsame Decke von ihrem Beischläfer, und ich erkannte den fest schlafenden Jonas.
    Cora rieb sich die Augen. »Seid ihr schon da?« fragte sie dümmlich. Ich blieb wie eine Marmorstatue stehen. »Ach so«, sagte sie grinsend, »du siehst, was man alles aus pädagogischen Gründen macht...«
    Ich knallte die Tür zu, lief in die Küche, warf mich auf einen Stuhl und heulte los. Emilia füllte trotz später Stunde die Waschmaschine, sie mochte es nicht, wenn sich allzuviel Wäsche ansammelte. »Kindchen, was ist los? Es war alles zu viel für dich«, sagte sie und strich mir übers Haar.
    »Jonas liegt mit Cora im Bett«, schluchzte ich.
    Emilia ließ Bélas Jeans fallen. »Was ist?«
    »Du hast schon richtig gehört!«
    Sie setzte sich zu mir. »Cora ist ein böses Mädchen«, sagte sie.
    Ich weinte weiter. »Hast du noch zwei Giftpillen?« fragte ich.
    »Klar, mehr als zwei«, sagte sie freundlich.
    Ich öffnete den Kühlschrank und entdeckte frisch geschlachtete Blut- und Leberwurst, die Jonas phantasielos bei seinen Besuchen als Dauermitbringsel mit sich führte; weil Weihnachtszeit war, auch ein großes Glas Gänseschmalz.
    »Geh sofort nach oben«, herrschte ich Emilia an, »und bring mir zwei Kapseln! Ich werde dem Pärchen Leberwurstschnitten zum Frühstück servieren, die es in sich haben.«
    »Gewiß doch, mein Schätzchen, ich hole gleich vier, dann kannst du auch Mario und mich versorgen.«
    Ich sah sie wütend an. »Ich mache keine Witze. Mario und dich liebe ich, für euch brauche ich kein Gift.«
    »Du liebst auch Cora und Jonas«, sagte sie, »sonst würdest du dich nicht so aufregen. Man kann nicht jeden umbringen, den man liebt.«
    Ich heulte.
    Emilia streichelte mir wohltuend den Rücken. »Komm, geh zu Bett. Du bist übermüdet. Morgen sieht alles anders aus. Warum ist Jonas eigentlich gekommen?«
    »Ich weiß nicht, kann es mir aber denken: Cora hat ihm am Telefon von Dante erzählt. Wahrscheinlich will er mich und das Kind wieder heimholen.«
    Emilia ging schlafen, und ich blieb gegen ihren Rat in der Küche sitzen. Wütend schmierte ich mir Leberwurst auf eine Scheibe Schwarzwälder Bauernbrot, das Emilia verachtete. Beim Anblick des Küchenmessers kamen mir finstere Gedanken. Falsche Freundinnen und untreue Ehemänner sollte man abstechen. Ich hatte ihr das Stehlen beigebracht, und sie stahl mir meinen Mann! Ich rammte das Messer in den Holztisch.
    Dann kam mir der schreckliche Verdacht, Jonas könnte morgen früh mit meinem Sohn einfach verschwinden. Mit dem Messer in der Faust begab ich mich auf die Straße. Wieso hatte ich beim Heimkommen Jonas' Wagen einfach übersehen, wo er direkt vorm Nachbarhaus parkte? Ich stieß das Messer in den rechten Hinterreifen. Es tat gut. Ich wiederholte die Bluttat immer wieder. Die drei anderen Räder ließ ich leben. Jetzt konnte Jonas nur nach einem Reifenwechsel wegfahren und sich nicht blitzschnell davonstehlen.
    Nach der Messerstecherei ging ich ins Bett, aber an Schlaf war nicht zu denken. Ich versuchte mir klarzumachen, daß ich Jonas
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