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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben
Autoren: Ingrid Noll
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auch betrogen hatte, daß ich ihn als Ehemann nicht mehr wollte, daß ich ihm nach diesem Vorfall seine Selbstgerechtigkeit vorwerfen konnte und wir quitt waren. Hätte er mit allen Mädchen seines Dorfes geschlafen, es hätte mich kalt gelassen, aber mit meiner besten Freundin erschien es mir unverzeihlich. Auch auf Cora hatte ich eine teuflische Wut. Sie konnte jeden Mann haben, warum mußte es gerade Jonas sein, den sie nicht liebte? Warum wollte sie ihn derart demütigen? Es war klar, daß er sich in Grund und Boden schämen mußte, wenn er seinen Prinzipien untreu wurde. Oder befürchtete Cora, daß ich nach dem Schock der sizilianischen Entführung zu Jonas nach Deutschland zurückkehren würde? Ich hatte in meiner Angst mehrmals solche Gedanken geäußert. Es war möglich, daß sie diese Pläne boykottieren wollte, ehe ich erneut darüber nachdachte.
    Immer blutigere Bilder tauchten vor mir auf: Cora und Jonas lagen neben Don unter dem edlen Pflaster, von Mario umsichtig beerdigt. Ich fühlte mich erniedrigt, verraten, betrogen. Ich mußte mich rächen. War die Todesstrafe angebracht oder lebenslänglicher Kerker?
    Plötzlich kam mir eine neue Version in den Sinn: Ich konnte mich morgen früh zu den beiden ins Bett legen, entweder im durchsichtigen Hemd oder besser noch als nackte Maja. »Liebe Cora, du wolltest mich á la Goya malen! Lieber Jonas, hier bin ich, deine erwartungsvolle Frau...«
    Mein frommer Mann würde sterben vor Scham, Cora würde lachen.
    Einen Eimer eiskaltes Wasser wollte ich auf die Schlafenden schütten, Coras Bilder mit Säure zerstören, den ausgegrabenen Don zu ihnen ins Bett legen. Statt eisigem Wasser wäre auch Benzin denkbar - ein Funke, und diese Hexe würde mitsamt dem Heuchler und der rosa Villa zur Hölle fahren. Oder sollte ich heute nacht davonfahren, mit meinem Kind nach Deutschland fliehen, und das ehebrecherische Paar seinem Glück überlassen? Sollte ich einen Abschiedsbrief hinterlassen, der die beiden depressiv werden  ließ? Man nannte mich früher die Elefantin, weil ich dazu neigte, meine Feinde niederzutrampeln. Am meisten hatte ich unter meinen Blutsverwandten gelitten, aber nur Cora hatte es vermocht, mich derart in Weißglut zu bringen wie in jener Nacht.
    Ob sie in meiner Abwesenheit gemalt hatte oder sich seit zwei Tagen mit Jonas im Bett herumwälzte? Ich verließ mein zerwühltes Lager und schlich ins Atelier. Zu meiner Verwunderung stand dort ein Christbäumchen (Schwarzwälder Tanne) mit Strohsternen, roten Äpfeln und Honigkerzen geschmückt. Alles Natur, kein Lametta, keine elektrischen Plastiksterne wie auf Sizilien; Jonas mochte es schlicht und besinnlich. Diesen Bonsai hatte er wohl für Béla mitgebracht. Ich streifte meinen Ehering ab und hängte ihn an den grünen Baum.
    Skizzen lagen auf dem Boden. Cora hatte Jonas mit Ambiente gemalt: neben ihm Tännchen und deutsche Leberwurst. Sein Gesichtsausdruck war auf allen drei Blättern in gemeiner Weise karikiert: hübsch und einfältig, fleißig und langsam, fromm und lüstern. Cora war hochbegabt.
    Die gemalte Leberwurst machte mir erneut Appetit, obgleich sie immer zu viel Majoran enthielt. Ich geisterte durch das Haus und stopfte mir in der Küche ein weiteres Brot in den Mund. Dieses fette Zeug läßt die Pickel sprießen, dachte ich resigniert, denn ausnahmsweise sah meine Haut nach dem Streß mit Dante sehr lädiert aus. Im Badezimmer konnte ich mich vergewissern, daß ich rote Flecken im Gesicht, verquollene Augen und strähnige Haare hatte. Ich griff nach Coras Nachtcreme »für die empfindliche Haut«, teuerster japanischer Luxus. Zornig klatschte ich mir das Produkt auf die Wangen, goß eine halbe Flasche ihres Lieblingsparfums über mein verschwitztes Nachthemd und leerte den gesamten Cremetopf auf den Jugendstilkacheln aus. Dann kam mir noch Perfideres in den Sinn - ich holte das Gänsefett und füllte Tag- und Nachtcreme-Dosen mit zwiebeligem Schmalz. Es roch verräterisch, also verspritzte ich ihr Parfüm im Bad, bis die Flasche leer war. Als das Badezimmer - ein Traum, hatte Cora einmal gesagt - einem Saustall glich, fühlte ich mich besser.
    Ich schwor mir, in Zukunft nicht mehr in finanzieller Abhängigkeit von Cora zu leben. Mit meiner Hände Arbeit wollte ich Geld verdienen, wobei ich noch nicht einmal an Stehlen dachte. Als Fremdenführerin würde ich zwar nicht reich, aber für eigene Hautcreme konnte es reichen.
    Erst gegen Morgen schlief ich ein, von gräßlichen Träumen
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