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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben
Autoren: Ingrid Noll
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den Hotelgästen heißt niemand Mandorlo«, sagte sie atemlos, »nach dem Personal wollte ich nicht so plump fragen.«
    Auch Mario kam zurück. Mann hat Walkie-talkie im Auto und spricht, schrieb er auf.
    Emilia klärte ihn über den neuesten Stand unserer Erkenntnisse auf. Er nahm den Hund an die Leine und stapfte hinaus. Im Gegensatz zu Emilia war er als Aushorcher nicht zu gebrauchen, aber auf seine Art würde er helfen.
    Cora packte ihre Waschsachen. »Heute ruft Dante nicht mehr an, da bin ich sicher«, sagte sie, »ich lege mich jetzt für ein paar Stündchen aufs Ohr, richtig schlafen kann ich kaum. Wenn irgend etwas Besonderes ist, dann weckt mich.«
    Cora rollte sich in Kleidern im Nebenzimmer aufs Bett. Ich weinte vor mich hin und ließ mich von Emilia streicheln. Sie weinte auch.
    Nach einer Stunde war Mario wieder da. Aufgeregt nahm er die Tafel. Pippo hat eine Spur, schrieb er.
    »Wo?« schrie ich. Mansarde, Personalzimmer. Pippo riecht vielleicht Béla. Wir weckten Cora.
    »Ich kenne einen Film mit Doris Day«, sagte Emilia, »da wird ein kleiner Junge in einer Botschaft gefangengehalten. Doris setzt sich ans Klavier und singt ein Lied, das ihr Sohn gut kennt und wozu er immer den Refrain gepfiffen hat. Er hört sie in seinem Zimmer und fängt an, laut zu pfeifen...«
    »Kenn' ich auch«, sagte Cora, >The Man Who Knew Too Much<, aber Béla kann nicht pfeifen, und du kannst nicht Klavier spielen.«
    Emilia blieb bei ihrer Filmidee. »Ich kann singen, er kann in die Hände patschen«, und sie machte es vor: »Ma come balli bene bella bimba«, und bei »bella« patschte sie in die Hände, wie sie es meinem Kind beigebracht hatte.
    »Bleibt hier, ich gehe singen«, sagte sie, »wenn ich es in diesem Zimmer patschen höre, ist Béla dort.«
    »Es ist sinnlos«, sagte ich, »im allgemeinen schläft er um diese Zeit, das weißt du doch.«
    »Ich probiere es trotzdem.«
    Emilia und Mario schlichen davon, wir warteten erregt.
     
    Nach zehn Minuten kamen sie zurück. Mario schüttelte bekümmert den Kopf, kein Klatschen war zu hören gewesen. Aber Emilia meinte, sie habe durch das Schlüsselloch Bélas Atemzüge erlauscht, was aber kaum glaubwürdig war.
    Cora kuschelte sich wieder auf ihr Bett. Pippo winselte und kratzte an der Tür. »Muß er schon wieder, oder hat er wirklich Bélas Geruch in der Nase?« fragte Emilia. »Mario ist mit dem Hund alle Zimmer abgegangen, aber nur bei einem hat er reagiert.«
    Cora rief aus dem dunklen Nebenraum: »Möglicherweise ist eine Katze oder ein Hund in der Kammer oder am Ende ein Schinken.«
    »Geht in eure Betten, ihr seid bestimmt todmüde«, sagte ich zu Emilia und Mario, »ich werde euch sofort holen, wenn es nötig wird.«
    Emilia und Mario schüttelten den Kopf. »Alte Leute brauchen weniger Schlaf«, sagte Emilia. Mario nahm meine Hand und küßte sie, eine Geste der Freundschaft und des Mitgefühls, die mich wieder in Tränen ausbrechen ließ. Er nahm seine Tafel und schrieb, aber nur für Emilia. Sie las, lächelte und küßte ihn. Auf einmal wußte ich - glasklar - was Liebe war.
    Einmal klingelte das Telefon, tief in der Nacht. Emilia hatte den Hörer schneller als ich in der Hand, aber es war eine falsche Verbindung. Natürlich tat ich kein Auge zu, aber ich lag wenigstens, während Emilia und Mario auf Stühlen daneben saßen und die Beine auf mein Bett streckten.
     
    Auf einmal hielt ich es nicht mehr aus. »Und wenn ihr mich für verrückt erklärt«, sagte ich, »unentwegt höre ich mein Kind in der Nacht weinen und rufen. Ich gehe jetzt zu dem bewußten Zimmer und sehe nach, ob Béla dort ist. Es kann zwei Tage dauern, bis Cora mit dem Geld wieder hier ist, bis dahin bin ich wahnsinnig geworden.«
    »Ich auch«, sagte Emilia, »ich komme mit dir. Mehr als totschlagen kann man uns nicht.«
    Wir zogen uns die Stiefel an. Mario war nicht einverstanden, schnürte sich aber ebenfalls Dons Schuhe. Cora torkelte aus dem Nebenzimmer. »Was ist? Hat er angerufen? Warum weckt ihr mich nicht?« fragte sie verwirrt.
    »Wir gehen in das verdächtige Mansardenzimmer«, sagte ich, »ich muß es einfach tun.«
    Cora fand das falsch, es wäre viel zu gefährlich, Dante zu Gesicht zu bekommen. »Er steht dann unter Zwang, uns zu töten«, sagte sie.
    Mario schrieb: Er wird überrumpelt.
    Mit Pippo schlichen wir den dunklen Hotelgang entlang, bis wir zu der Hintertreppe kamen, die zu den Mansarden führte. Ich hatte panische Angst, aber ich ertrug es besser, als tatenlos
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