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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition)
Autoren: Katharina Hacker
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anzurufen, nicht Andras. Er wollte sie los sein, Jim wollte sie los sein. –Jim? sagte sie, was wolltest du mir zeigen? Nervös nestelte sie an dem obersten Knopf ihrer Bluse, er mißdeutete ihre Bewegung, lachte auf, spreizte die Beine ein bißchen. Rechts von ihr, da, wo ein Sofa und ein Glastisch standen, bewegte sich etwas, unter einer Decke verborgen, ein Kopf schob sich heraus, ein Kinderkopf und zwei dünne Ärmchen kamen zum Vorschein, streckten sich, hielten etwas Dunkles, und dann erst begriff sie, als Sara sich aufrichtete, mit ihrer alten, blauen Strickjacke, rasch warf Isabelle einen Blick auf Jim, der lauernd dastand. Sara krabbelte vom Sofa, kam näher, hielt ihr die Jacke hin. –Ihre Jacke, sagte sie, ich habe Ihre Jacke, damit Sie mir Polly wiedergeben. Isabelle wich einen Schritt zurück, –Unsinn, sagte sie, das ist nicht meine Jacke, sie roch den säuerlichen Geruch deutlicher, machte eine Handbewegung, als könnte sie das Kind wegschieben. Das Mädchen hielt inne, überrumpelt. –Polly? sagte es fragend. Sie haben Polly mitgenommen, Sie haben mir die Jacke dagelassen? Es drehte hilfesuchend den Kopf zu Jim. –Sag ihr, wo Polly ist, forderte er Isabelle grinsend auf. Er trat näher. –Sag ihr, was du mit ihrer Dreckskatze gemacht hast, sie konnte seine Wärme spüren, den angespannten, erhitzten Körper. Aber er war abgelenkt, als wäre ihm etwas eingefallen, das er vergessen hatte, er drängte sich an Isabelle vorbei, griff nach einem Umschlag, der auf dem Fernseher lag, –das war es, sagte er, davon hast du doch geredet, von den Fotos. Unschlüssig hielt er den Umschlag in der Hand, als zerfalle etwas, dachte Isabelle, zerfällt in seine Teile. Sara ließ die Jacke sinken, sie sah Jim flehentlich an. Langsam legte er den Umschlag zurück, und Sara nahm ihn, streckte ihm den Umschlag wieder hin, als wäre er, da die Jacke nichts bewirkte, etwas, das sie anbieten könnte, streckte Isabelle den Umschlag hin, –laß das, Jims Stimme überschlug sich, er riß den Umschlag an sich, zerriß ihn, Schnipsel fielen zu Boden, bunt, sah Isabelle, Schnipsel von Farbfotos, dazwischen weißes Papier, das, was der Umschlag gewesen war. Im Zimmer war es heller geworden, da die Sonne ein Stück tiefer gerutscht war. –Aber Sie haben mir gesagt, daß die Frau weiß, wo Polly ist. –Hältst du endlich die Klappe? Deine Scheißkatze, tot ist sie, kapierst du? Tot, wiederholte er, wegen ihr, er zeigte auf Isabelle, weil sie deine Katze nicht leiden konnte, weil es ihr egal ist, was mit deiner Katze passiert. Er drehte sich ganz zu Sara, warf den Kopf in den Nacken, Schauspieler, dachte Isabelle, aber das war es nicht, es war kein Schauspiel, nicht für Jim und Sara, die einander gegenüberstanden, und während es wieder dunkler wurde, vermutlich, weil eine Wolke vor die Sonne geglitten war, roch sie den abgestanden Rauch, die alte Bettwäsche, die staubigen Polster, nie gelüftet, auf dem Glastisch stand ein Glas. –Jim, sagte sie, ich möchte gehen. Sie drehte sich um, ging auf die Tür zu, die abgeschlossen war, der Schlüssel steckte nicht. –Jim, laß mich gehen. Ich habe sie von der Fensterbank geschubst, das ist alles. Keine Katze stirbt, bloß weil man sie im Erdgeschoß von der Fensterbank schubst! Ihre Stimme klang schrill, empört, als würde es etwas nützen, sich zu empören, –Jakob wollte anrufen, sagte sie, aber sie wußte, daß er sich keine Sorgen machen würde. Und selbst wenn, dachte sie. Interessiert beobachtete Jim, wie sie die Tür losließ, einen halben Schritt ins Zimmer trat. –Jim? Es gelang ihr, ihre Stimme zu kontrollieren. –Du lügst, sagte Jim. Er verzog das Gesicht, gestikulierte ins Leere, um einen Gedanken zu fassen oder zu verscheuchen, seine Hand traf dabei Sara, die neben ihm stand, nicht fest, aber er schien froh, endlich auf Widerstand zu treffen, auf irgend etwas, das ihnen erlaubte vorwärtszukommen. Isabelle richtete sich ein bißchen auf. –Sara, sagte sie beherrscht, Sara, hast du Jim erzählt, was du mit deiner Katze gemacht hast? Daß du sie mit einem Stock geschlagen hast, mit einem dicken Stock? Erstaunt hielt Jim still. –Was sagst du? Aber es war die Gemeinheit, die schiere Gemeinheit ihrer Denunziation, die ihn aufmerken ließ, die wieder in Gang setzte, was stillgestanden hatte wie ein kaputtes Uhrwerk, und sogar die Wolke gab die Sonne wieder frei, so daß es heller wurde und sie sein Gesicht sehen konnte, das sich veränderte, es war, als schaute
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