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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition)
Autoren: Katharina Hacker
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Pete immer noch das Geld, er hatte nicht vorgehabt, ihm seinen Anteil zu geben, und dann war Pete so anständig und warnte ihn, hatte grinsend gesagt, es wäre eh nur eine kleine gute Tat gewesen, um sein Karma günstig zu stimmen, und was Jims Karma anginge, könne er ihm nur raten, aus der Stadt zu verschwinden, denn wenn er jetzt wiedergeboren würde, dann womöglich als Regenwurm oder als Spatz. Aber es gibt ja kaum noch Spatzen, dachte Jim, als er die Lady Margaret Road wieder hinunterging, nicht einmal das; ihm war, als hätte Isabelle ihn betrogen. Das Kind lag auf dem Sofa und schlief, anscheinend tat es nicht nur so, denn als Jim ein Feuerzeug dicht an seine dünnen Haare hielt, zuckte es nicht, atmete ruhig weiter. Schlief. Es sah sogar nett aus, es war nett, nach Hause zu kommen und ein schlafendes Kind vorzufinden, nur war es nicht sein Zuhause, morgen wollte er abhauen, und er trank ein Bier, ging ins Schlafzimmer, obwohl er meistens im Wohnzimmer schlief, damit er die Tür hörte, damit er die Sachen im Auge behalten konnte, aber auf dem Sofa schlief das Kind. Er zog seine Jacke aus, warf sie zu Boden und streckte sich auf dem Bett aus. Mitten in der Nacht hörte er das Kind wimmern, es hatte ihn aufgeweckt. Anscheinend war es aufgestanden, statt weiterzuschlafen, Jims Hand ballte sich wütend, ein Geräusch, als wäre es gegen den Tisch gestoßen, wahrscheinlich die Ecke des Glastisches, idiotisches Ding, der Glastisch, das Kind, und vielleicht war es durstig. Aber er war zu müde und zu faul, um aufzustehen, womöglich war es keine gute Idee gewesen, das Kind hierher zu bringen, wenn Isabelle nicht da war, er wußte nicht einmal, ob sie nicht weggefahren war. Er lauschte, ein leises Wimmern war zu hören. Dann schlief er wieder ein.
    Etwas im Traum ließ ihn morgens hochschrecken, er duckte sich, vor irgend etwas, das häßlich war. Als er die Augen öffnete, stand vor ihm das Mädchen, so wie er es gestern gefunden hatte, ein spitzes Gesicht, nicht hübsch, und dann merkte er, daß sie roch. –Kannst du dich nicht waschen? Du stinkst. Sie zog sich einen halben Schritt zurück, als er sie musterte, bemerkte er einen dunklen Fleck auf ihrer grauen Hose, eine Art Jogginghose, oben zusammengeschnürt. Das war es, dachte er, sein Fehler, daß er falsche Entscheidungen traf, daß er nicht die richtige Entscheidung traf, Ben nicht wegschickte, Mae gegenüber zu nachgiebig war, und jetzt das Kind, das er sich aufgehalst hatte. Es stand ganz starr da, gleich fing es an zu heulen, und dann wollte es bestimmt etwas zum Frühstück, Milch und Cereals oder Brot mit Marmelade. Er richtete sich auf und sah belustigt, wie das Mädchen aufstand, ins Wohnzimmer floh, sich auf das Sofa setzte, die Hände auf den Knien und mit gesenktem Kopf, mit jedem Schritt, den er sich näherte, wurde es steifer. Wenn er sie berührte, würde sie entzweibrechen wie eine Porzellanpuppe mit einem Sprung. Aber plötzlich hob sie mit einem Ruck den Kopf und schaute ihn direkt an, gezielt, unnachgiebig. Er mußte wegsehen. Er ging ins Bad, zog sich aus, rasierte sich. Spitzte die Lippen, wie er es oft tat, als müßte er eines Tages von alleine pfeifen können, aber es kam nur Luft und Spucke. Als er geduscht hatte, war er noch immer wütend. Er wickelte sich ein Handtuch um die Hüften, ging ins Wohnzimmer. Sie saß da, ohne sich zu rühren. –Steh auf, herrschte er sie an, sie gehorchte, verbissen, widerwillig. –Vielleicht machst du uns wenigstens Frühstück, oder wie stellst du dir das vor, daß ich dich bediene? Sara schob sich hinter dem Tischchen hervor, er trat ihr in den Weg. Atmete ihren Geruch ein, begriff endlich. –Shit, hast du in die Hose gemacht? Hast du in die Hose und auf mein Sofa gepinkelt? Jim faßte sie an der Schulter, wie ein Vogel, so mager, dachte er. Er zwang sie, den Kopf zu heben. Aber sie weinte nicht. Sie stierte vor sich hin, mit fast übermenschlicher Konzentration, weinte nicht. Stand da. Das letzte Hindernis, bevor er sich nach Glasgow aufmachte, sie und Isabelle, bevor er diese ganze beschissene Stadt hinter sich lassen konnte, die alles kaputtmachte, nichts übrigließ. Es war schon zehn Uhr. Jim wandte sich um. Etwas Helles tauchte vor seinen Augen auf, blendete ihn, er mußte die Augen schließen. Ein grelles, weißes Licht. –Wasch dich wenigstens, sagte er, ich habe nichts zum Anziehen für dich. Er ging in die Küche, hörte ihre Schritte, die Badezimmertür, die sie hinter sich schloß,
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