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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition)
Autoren: Katharina Hacker
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fand nichts, blieb sitzen, um abzuwarten, bis das Blut geronnen war. Es dauerte nicht lange. Als er vorsichtig aufstand, traten ihm Tränen in die Augen, ärgerlich schüttelte er den Kopf, aber er weinte doch und mußte über sich selbst lachen. Sein Herz pochte unruhig, als er die Straße wieder überquerte, humpelnd, lachend, tränenblind die Choriner Straße hinaufging.
    Magda war gerade aufgewacht. Mit großen, verwunderten Augen schaute sie ihn an, nahm vorsichtig seine Hände und führte ihn ins Bad. –Hast du kein Kodan? fragte sie und wusch, als er, unfähig zu sprechen, den Kopf schüttelte, mit lauwarmem Wasser vorsichtig die Wunden aus. –Die Hose kann in den Müll, konstatierte sie, vor ihm kniend. –Mein armes Herz. Er ließ sich zum Bett führen und zudecken.
    In der ersten Abenddämmerung spürte er, wie Magda aufstand, sich hinausschlich, dann schlief er wieder ein. Als er aufwachte, fand er in der Küche Croissants und frische Milch, auf dem unbenutzten Teller lag ein Zettel, ein Lastauto war darauf gemalt und ein Fragezeichen. Er rief Peter an und fragte, ob noch leere Umzugskisten da seien. –Sechs Stück, sagte Peter, wozu brauchst du sie?
    –Ich ziehe zu Magda, wenn es geht noch heute. Erstaunt bemerkte Andras, daß er ängstlich in das Schweigen horchte. –Peter? Bist du noch da? Warum sagst du nichts?
    –Du ziehst zu Magda? Wirklich? Andras, ich fasse es nicht. Das ist ja großartig. Ich dachte schon, du willst bis an dein Lebensende Isabelle nachweinen.
    Eine Stunde später klingelte es, und Peter stand vor der Tür, die leeren Kartons neben sich. –Ich muß gleich wieder runter, Sonja wartet im Auto. Peter zögerte, dann grinste er verlegen, umarmte Andras kurz, verschwand.

    Nur das Wichtigste, dachte er, zwei Kartons mit Kleidern, zwei mit Büchern, zwei mit Papieren, den Rest räume ich dann auf. Als er beinahe fertig war, fiel ihm ein, was er geträumt hatte, einen ähnlichen Traum wie vor ein paar Monaten. Sie stand in einem kahlen Zimmer nackt im Neonlicht, älter und kleiner, als er sie erinnerte, eine alternde Frau mit einem Kinderkörper. Ihr Gesicht konnte er nicht sehen, sie verbarg es in den Händen.
    Er würde, dachte Andras, ihr eine Mail schreiben und vorschlagen, ob sie nicht für ein paar Tage nach Berlin kommen wolle. Das neue Büro war immer noch nicht fertig eingerichtet, in Isabelles Zimmer, sie hatte ein eigenes Zimmer mit einem Fenster vor der Kastanie im Hof, standen die Kisten und der Computer unausgepackt, es war so viel zu tun, und warum sollte es nicht eine Art Neuanfang sein, new concept – new life , für sie auch. Es klopfte, klingelte nicht, sondern klopfte. Einen Augenblick durchfuhr es Andras, daß Isabelle vor der Tür stehen würde, und sein Herz schlug aufgeregt. Aber es war Herr Schmidt. Er hatte einen kleinen altmodischen Koffer aus Pappe in der Hand. –Ich dachte mir, daß Sie bald ausziehen, sagte er mürrisch in Andras’ erschrockenes Gesicht. –Es tut mir leid, Andras hob hilflos die Hand. –So ist das, sagte Herr Schmidt, gestern habe ich einen Koffer gefunden, heute ziehe ich aus. Es könnte auch anders sein. Ich habe am Bahnhof übernachtet, obwohl ich es nicht mußte. Die Imbißstuben sind sehr gut. Freundlich. Und dann der Koffer, leer, beim Briefkasten, Sie wissen doch, an der Brücke. Kein Zufall, dachte ich, also zieht er aus, und ich ziehe auch aus. Er griff nach dem Koffer und nickte und ging die Treppen hinunter. –Aber können wir Sie nicht irgendwo hinbringen? rief Andras. Und wollen Sie nicht den Kocher mitnehmen? Doch Herr Schmidt schüttelte den Kopf, winkte und stieg weiter vorsichtig die Stufen hinunter, ohne sich noch einmal umzudrehen.

36
    Er gab ihr eine Decke und sagte, sie dürfe auf dem Sofa schlafen, so wie ihr Bruder. Es war halb zehn Uhr abends, und ihm gefiel, wie sie dalag und vielleicht wirklich gleich einschlief. Um halb elf ging er noch einmal nach draußen, er schloß die Tür hinter sich ab, ging die Straße hinauf, und als er die Fenster der Hausnummer 49 dunkel fand, war er verärgert, als wäre sein Plan vereitelt. Er hatte einen Plan. Er würde morgen nach Glasgow fahren, seine Sachen waren schon gepackt, die Tasche stand griffbereit im Schlafzimmer, er mußte sich nur noch aufraffen. Pete, der Türsteher vom Broken Night , hatte ihn gewarnt, es seien zwei nicht so nett aussehende Männer dagewesen, um nach ihm zu fragen. Zufällig war Jim in ihn hineingerannt, auf der Iron Bridge, er schuldete
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