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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition)
Autoren: Katharina Hacker
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man einem primitiven Film zu, einem Daumenkino. Da war es, er nahm eine Spur auf, alles Überflüssige mit einer gekränkten, hochmütigen Geste zur Seite wischend, sie sah, wie er einatmete, er suchte noch, suchte etwas, so, wie sie auch. –Vielleicht sollte ich dich mitnehmen? sagte er zu Isabelle, willst du mitkommen, mit deinem hübschen, unschuldigen Gesicht? Er trat auf sie zu und stellte sich hinter sie, seine Hände spielerisch um ihren Hals, dann abwärts gleitend, unter den Stoff der blaugrünen Bluse, fester, konzentriert. Sara gab einen wimmernden Laut von sich. Mit einem Fluch löste er sich von Isabelle, schnellte vor, zwei Schritte, holte aus, die Hand zur Faust geballt, zog Isabelle schon wieder an sich, während Sara noch einen Moment schwankend dastand, bevor sie fiel, blutend. Der kleine Schrei war aus Isabelles Mund gekommen, aber seine Hand preßte sich auf ihren Mund, lockerte sich wieder, streichelte die Lippen, drängte sie sacht auseinander, –nichts passiert, murmelte er in ihr Ohr, komm schon, lockte er, liebkoste sie, bis ihre Lippen sich öffneten, ihre Zunge seinen Finger berührte. Das Kind drehte sich zur Seite, richtete sich auf, es hustete einmal, das Blut lief ungehindert übers Kinn und wurde vom T-Shirt aufgesaugt. Der Finger zog sich aus Isabelles Mund zurück, Sara schaute zu den beiden auf, fuhr sich unsicher übers Kinn, spuckte, spuckte noch einmal, Isabelle schloß die Augen, Übelkeit schüttelte sie, eine leichte Ohrfeige traf sie, sie hörte seine Stimme, auflachend, –du wolltest doch, daß sie bestraft wird. Er beugte sich nach rechts. –Mach die Augen auf! Schob sie vorwärts, auf das Mädchen zu, das seine Hand ausgestreckt vor sich hielt, einen kleinen, verschmierten Zahn darauf, ohne zu weinen. Ich kann nichts tun, dachte Isabelle wieder und wieder, spürte den warmen Körper, schmiegte sich an ihn, aber unbarmherzig schob er sie auf das Mädchen zu, das ihnen entgegenblickte, diese winzige, riesige Entfernung, Jim murmelte etwas, seine Hände gaben Isabelle einen kleinen Stoß, ließen sie allein. Sie drängte zu ihm zurück, als könne er sie trösten, sie wollte die Augen schließen, umarmt werden, aber er stieß sie weg. –Du würdest überall betteln, nicht? sagte Jim. Weißt du, was du bist? Wie ein schwarzes Loch, man kann alles in dich reinschütten, und es verschwindet spurlos. Jäh faßte er sie wieder und drehte sie um. –Nichts sieht man in deinem Gesicht, grade mal ein bißchen Angst. Er musterte Isabelle aufmerksam, sein Mund verzog sich. –Das Mädchen stinkt, merkst du das nicht? Er griff ihren Nacken, zwang sie hinunter. –Sie hat sich vollgepinkelt. Ließ sie los, trat zurück. –Sie hat in die Hose gemacht, sagte er ruhig, zieh sie aus. Ich will, daß du sie nackt ausziehst. Nein, dachte sie, nein, aber sie bückte sich, Sara zuckte zurück, versuchte auszuweichen, der Zahn fiel aus ihrer Hand zu Boden. –Mach schon, sagte Jim gleichgültig, schaute sich suchend um, als wüßte er nicht, was er tun sollte, ging in die Küche, kam mit einem Messer wieder. Isabelle gehorchte, folgte der Bewegung ihrer eigenen Hände ungläubig, Hände, die nach dem T-Shirt des Kindes griffen und es über seinen Kopf zogen, nicht grob, nicht vorsichtig, sondern präzise und geschickt, als hätte sie diese Szene hundertfach geprobt. Alexa müßte hier sein, dachte Isabelle, mit ihrer Kamera, sie fing an zu weinen, legte das T-Shirt beiseite, zog den jetzt schlaffen Körper zu sich, nestelte an dem Knoten und streifte Hose und Unterhose zusammen bis zu den Knöcheln herunter, hob das Kind hoch. Sara stand jetzt nackt vor ihr, wischte sich über die Nase, verschmierte das Blut, sie weinte nicht, starrte Isabelle an, ängstlich und getröstet, dann spuckte sie aus, vorsichtig, spuckte einen zweiten Zahn aus, sie schien nicht zu begreifen, was das war, fragend blickte sie zu Isabelle, die vor ihr kniete, blaß, vor Angst und Scham atemlos. Jim trat Sara leicht mit der Schuhspitze, einmal, ein zweites Mal, als prüfe er einen Gedanken. Im Garten hörte man plötzlich Kinderstimmen, ein Junge schrie laut Kommandos, die anderen antworteten kreischend. –Dave, sagte Sara, ohne sich zur Gartentür zu wenden. Isabelle schaute sie an, das spitze Kindergesicht, das trocknende Blut. –Dein blöder Bruder, sagte Jim abwesend, die rechte Hand spielte mit dem Messer. –Fahren wir alle zusammen, kaufen uns ein Häuschen, nicht wahr? Mit einem Garten und einem Kirschbaum
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