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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny
Autoren: Alexandre Dumas
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Hand, betrachtete es aufmerksam, probierte das Schloß, nickte beifällig, und las den Namen, der auf dem Laufe stand.
    »Leclerc«, sagte er. »Unmöglich, Freund. Leclerc ist höchstens achtundzwanzig, und wir beide gehen auf die Fünfzig los. Doch nichts für ungut, es ist nicht böse gemeint.«
    »Es ist wahr,« erwiderte der andere, »ich bin nicht Leclerc, aber es ist ganz dasselbe.«
    »Wie, es ist ganz dasselbe?«
    »Allerdings, ich bin ja sein Meister.«
    »Das wäre nicht übel«, sagte der Schlosser lachend. »Das ist gerade, als wenn ich sagte: Ich bin nicht der König, aber es ist ganz dasselbe.«
    »Wie! Es ist ganz dasselbe?« wiederholte der Unbekannte.
    »Jedenfalls, denn ich bin ja sein Meister«, sagte der Schlosser.
    »Oho!« rief der Unbekannte, indem er aufstand und salutierte, wie ein Soldat. »Habe ich die Ehre, Monsieur Gamain vor mir zu sehen?«
    »Jawohl, den leibhaftigen Gamain, ergebenst aufzuwarten,« erwiderte der Schlosser, hocherfreut über den Effekt, den sein Name gemacht hatte.
    »Teufel!« sagte der Unbekannte, »ich wußte nicht, daß ich einen so bedeutenden Mann vor mir hatte ... Aber ich denke mir's nicht schön, der Meister eines Königs zu sein, wenn man sagen muß: Ew. Majestät, geruhen Sie diesen Schlüssel in die linke Hand zu nehmen; – Sire, nehmen Sie diese Feile in die rechts Hand.«
    »Ei! Eben das war so schön bei ihm. Sobald wir in der Werkstätte waren, nannte ich ihn ›Bourgeois‹, und er nannte mich Gamain; nur sagte er Du zu mir, und das tat ich nicht. Ihr müßt wissen, im Grunde fühlte er sich nur wohl in der Werkstätte oder zwischen seinen Landkarten; es ist jammerschade, daß er als König auf die Welt gekommen ist und sich mit so vielen Nebendingen beschäftigen muß, anstatt in seiner Kunst Fortschritte zu machen. Er wird nie ein rechter König sein, aber ein tüchtiger Schlosser wäre er geworden. Man machte ja auch mit ihm, was man wollte. Der Minister Necker stahl ihm die Zeit; was er von seinem Gelde nicht den Armen gab, sogen ihm die Coigny, Vaudreuil und Polignac aus der Tasche; stellt Euch vor, einmal verwandte die Königin fünfhunderttausend Francs für ein Kindbettgeschenk an Frau von Polignac ...
    Die Polignacs waren vor zehn Jahren so arm, und nun schleppen sie Millionen davon! Wenn die Sippschaft noch etwas könnte! Den Leuten ein X für ein U zu machen, das verstehen sie, und sie haben den König in die Tinte gebracht; er kann nun zusehen, wie er mit Vailly, Lafayette und Mirabeau wieder herauskommt ... Und ich sitze nun da mit dem versprochenen Jahresgehalt von fünfzehnhundert Livres, das ich aber nicht bekomme. Ich würde ihn wahrhaftig besser beraten haben als die Polignacs; ich war ja sein Meister, sein Freund!«
    Jetzt erschienen zwei Männer aus der untersten Volksklasse und ein Fischweib in der Gaststube, und setzten sich an denselben Tisch, wo der Unbekannte mit dem Meister Gamain eben die zweite Flasche leerte.
    Der eine der beiden Männer hatte eine zwergartige Gestalt, er war kaum fünf Fuß hoch. Sein Gesicht schien diese Mißgestalt noch auffallender zu machen; seine fettigen Haare lagen platt auf der eingedrückten Stirn; dieser Mensch schien kein Blut, sondern Galle in den Adern zu haben.
    Der andere war das Gegenstück zu dem ersten, er glich einem auf zwei Stelzen stehenden Reiher.
    Der dritte oder die dritte, wie man will, war ein Amphibium, dessen Spezies wohl zu erkennen, aber dessen Geschlecht schwer zu unterscheiden war. Es war ein männliches oder weibliches Geschöpf von dreißig bis vierunddreißig Jahren, im eleganten Fischweiberkostüm, mit goldener Kette und Ohrringen, Kopftuch und Spitzenkragen. Man erwartete mit Ungeduld, daß ihr oder sein Mund sich auftue und einige Worte spreche, denn man hoffte, der Ton der Stimme werde der ganzen zweifelhaften Person einen bestimmten Charakter geben; aber auch darin täuschte man sich, denn die einem Sopran ähnliche Stimme erregte in dem Beobachter noch mehr Zweifel als die äußere Erscheinung.
    Die Schuhe der drei neuen Gäste trugen unverkennbare Spuren einer langen Wanderung.
    »Es ist merkwürdig,« sagte Gamain, »das Frauenzimmer glaube ich zu kennen.«
    »Wohl möglich, lieber Meister Gamain,« sagte der Unbekannte, »aber wenn diese drei Personen beisammen sind, haben sie gewiß etwas vor, und wenn sie etwas vorhaben, muß man sie gewähren lassen.«
    »Kennt Ihr sie denn?« fragte Gamain.
    »Ja, von Ansehen«, antwortete der Unbekannte. –
    »Wenn Ihr
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