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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny
Autoren: Alexandre Dumas
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verdienstvollen, menschenfreundlichen Arzt. Wissen Sie, womit er sich in diesem Augenblick beschäftigt? Er erfindet eine wirklich höchst sinnreiche Maschine, die er der Nation verehren will, und mit der man in einer Stunde fünfzig, sechzig, achtzig Menschen aus der Welt schaffen kann. Wenn sich nun ein so ausgezeichneter Arzt, ein so wohlmeinender Philanthrop, wie der Doktor Guillotin, mit einer solchen Maschine beschäftigt, ist das nicht ein Beweis, daß eine solche Maschine wirklich Bedürfnis ist? Wenn Sie die Maschine sehen wollen, lieber Gilbert, so werden Sie nächstens Gelegenheit dazu haben, man wird eine Probe damit machen. Ich werde es Ihnen sagen lassen, und wenn Sie nicht blind sind, werden Sie den Finger der Vorsehung erkennen, die wohl weiß, daß ein Augenblick kommen müsse, wo der Henker zuviel zu tun haben wird, um mit den gewöhnlichen Mitteln auszureichen.«
    »Graf, Graf! in Amerika hatten Sie tröstlichere Lebensansichten.«
    »Das glaube ich wohl, ich war mitten unter einem Volke, das sich erhebt, und hier befinde ich mich in einer Gesellschaft, mit der es bald zu Ende geht. In unserer veralteten Welt geht alles zu Grabe, Adel und Königtum, und dieses Grab ist ein bodenloser Abgrund.«
    »Aber retten wir das Königtum, es ist das Palladium der Nation.«
    »Das sind große Worte, Gilbert. Glauben Sie denn, es sei so leicht, das Königtum mit einem solchen König zu retten?«
    »Aber er ist doch der Sprößling eines gewaltigen Geschlechts ...«
    »Jawohl, eines Adelsgeschlechts, das mit Papageien endet! Hören Sie, Gilbert, Sie wissen, daß ich imstande bin, tausend Leiden zu ertragen, um Ihnen einen Schmerz zu ersparen. Ich will Ihnen daher einen Rat geben.«
    »Reden Sie.«
    »Der König muß fliehen. Der König muß Frankreich verlassen, solange es noch Zeit ist. In drei Monaten, in einem halben Jahr vielleicht wird es zu spät sein.«
    »Graf,« erwiderte Gilbert, »würden Sie einem Soldaten den Rat geben, seinen Posten zu verlassen, weil das Bleiben auf demselben mit Gefahr verbunden ist?«
    »Wenn der Soldat so wehrlos, umzingelt und in die Enge getrieben wäre, daß er sich nicht verteidigen könnte, wenn zumal sein Tod das Leben von Hunderttausenden in Gefahr brächte, ja, dann würde ich ihm raten, zu fliehen.«
    »Graf, Sie wissen, daß ich ein Fatalist bin. Es geschehe, was da wolle; solange ich bei dem König etwas vermag, bleibt er in Frankreich, und ich bleibe bei ihm.«
    »Hören Sie, es klopft jemand.«
    »Wohlan, Graf, sagen Sie mir das Geschick dessen, der an diese Tür klopft, sagen Sie mir, wann und welchen Todes er sterben wird.«
    »Gut,« sagte Cagliostro, »wir wollen selbst öffnen.«
    Der Marquis von Favras trat ein.
    Die Herren verneigten sich.
    »Belieben Sie in den Salon zu gehen, Marquis«, sagte Cagliostro. »In fünf Minuten stehe ich zu Diensten.«
    Der Marquis grüßte noch einmal, als er an den beiden Männern vorüberging, und verschwand.
    »Nun?« fragte Gilbert.
    »Sie wollen wissen, welchen Todes der Marquis sterben wird.«
    »Sie haben mir ja versprochen, es zu sagen.«
    Cagliostro lächelte und sah sich, um. Da niemand in der Nähe war, sagte er leise:
    »Haben Sie schon einen Edelmann hängen sehen?«
    »Nein.«
    »Nun, da es ein seltenes, merkwürdiges Schauspiel ist, so finden Sie sich an dem Tage, wo der Marquis von Favras gehängt wird, auf dem Grèveplatz ein.«
     

3. Kapitel
     
    Unterdessen setzten der König und die königliche Familie ihren Weg nach Paris fort.
    Unterwegs hatte der kleine Prinz Hunger bekommen und zu essen verlangt. Wäre Gilbert dagewesen, so würde die Königin kein Bedenken getragen haben, ihn um ein Stück Brot für den Dauphin zu ersuchen. Aber einen Volkswehrmann mochte sie nicht anreden. Sie drückte den Dauphin an ihre Brust und sagte weinend zu ihm:
    »Mein Kind, wir haben kein Brot, in Paris ist seit drei Tagen keines.«
    Der arme Dauphin! Er sollte mehr als einmal, ehe er starb, vergebens um Brot bitten. Nachdem der Zug etwa eine halbe Stunde gesungen, geschrien, getanzt hatte, ertönte ein ungeheures Hurra. Wer ein geladenes Gewehr hatte, feuerte es ab; die Kinder weinten und fürchteten sich so sehr, daß ihnen der Hunger verging.
    Dann ging's weiter, an den Kais hin, zum Stadthause.
    Ganz in ihrer Nähe bemerkte die Königin ihren Kammerdiener Weber.
    Sie rief ihn zu sich.
    »Warum versuchst du mit Gewalt in das Stadthaus zu dringen?« fragte ihn die Königin.
    »Um Ew. Majestät näher zu sein.«
    »Im
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