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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny
Autoren: Alexandre Dumas
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politischen Angelegenheiten teilnehmen wollten. Unglücklicherweise hatten Sie eine gewisse alte Geschichte ganz vergessen. Diese Geschichte betraf Mademoiselle Andrea de Favernay, nachmalige Gräfin von Charny. Da die Königin der Dame, die den Grafen von Charny geheiratet hatte, nichts abschlagen konnte,so verlangte und erhielt sie einen Verhaftsbefehl, infolgedessen Sie in die Bastille gebracht wurden. Dort würden Sie noch heute sitzen, lieber Doktor, wenn das Volk Sie nicht befreit hätte. Als guter Royalist begaben Sie sich sogleich zum König, dessen Leibarzt Sie geworden sind. Gestern oder vielmehr heute früh haben Sie zur Rettung der königlichen Familie sehr viel beigetragen; Sie weckten den braven Lafayette, der den Schlaf des Gerechten schlief, und vorhin, als Sie mich sahen, schickten Sie sich an, Ihre Souveränin – die, beiläufig gesagt, Ihre Todfeindin ist, gegen jede Gefahr zu schützen. Ist es nicht so?«
    »Ja, es ist so,« sagte er, »und Sie sind immer der Zauberer Cagliostro.«
    Cagliostro lächelte. »Ich habe es gemacht wie Sie«, erwiderte er; »ich habe Könige, viele Könige gesehen, aber in anderer Absicht; Sie nähern sich ihnen, um ihnen beizustehen, ich nähere mich ihnen, um sie zu stürzen. Sie versuchen, einen konstitutionellen König an die Spitze der Nation zu stellen, und es wird Ihnen nicht gelingen, ich mache Kaiser, Könige, Fürsten zu Philosophen, und das gelingt mir.«
    »Wirklich?« sagte Gilbert zweifelnd.
    »Jawohl. Der liebe König Friedrich, den wir leider verloren haben, war mit einem guten Beispiel vorangegangen. Da ist vor allen der König Joseph II., der Bruder unserer vielgeliebten Königin, der drei Viertel der Klöster aufhebt, die Kirchengüter einzieht, sogar die Karmeliternonnen aus ihren Zellen austreibt. Da ist der König von Dänemark, der Henker seines Leibarztes Struensee. Da ist die Kaiserin Katharina, die so große Fortschritte in der Philosophie macht, was sie jedoch nicht hinderte, Polen auseinanderzureißen. Da ist die Königin von Schweden und ... ganz Deutschland.«
    »Sie haben nur noch den Papst zu bekehren,« sagte Gilbert, »und da Ihnen nichts unmöglich ist, so glaube ich, daß es Ihnen gelingen wird.«
    »Oh! das wird schwer sein, ich komme soeben erst aus seinen Krallen; vor sechs Monaten saß ich in der Engelsburg, so wie Sie vor drei Monaten in der Bastille saßen.«
    »Nicht möglich! Und wie sind Sie befreit worden?«
    »Ich hatte Unglück, ich hatte einen unbestechlichen Kerkermeister, aber zum Glück war er nicht unsterblich; der Zufall wollte es, daß er am Tage nach der dritten Zurückweisung meines Antrags starb. Man mußte ihm einen Nachfolger geben.
    Der Nachfolger war nicht unbestechlich.
    Der neue Kerkermeister sagte am ersten Abend, als er mir das Nachtessen brachte: ›Laßt's Euch wohlschmecken und sammelt neue Kräfte, denn wir haben diese Nacht einen weiten Weg zu machen.‹ – Wahrhaftig, der brave Mann log nicht; in derselben Nacht ritten wir jeder drei Pferde zu Tode und legten hundert Meilen zurück.«
    »Und was sagte der Gouverneur, als er Ihre Flucht bemerkte?«
    »Er zog dem noch nicht beerdigten Leichnam des andern Kerkermeisters die von mir zurückgelassenen Kleider an, schoß ihm mit einem Pistol mitten durch das Gesicht, ließ das Pistol neben ihm liegen und erklärte, ich hätte mich erschossen.«
    »Und darf man ohne Indiskretion fragen, wie Sie jetzt heißen?«
    »Ich bin der Baron Zannoné, Bankier aus Genua; ich bin Geldgeber Monsieurs, des königlichen Prinzen ... Gutes Papier, nicht wahr? ...«
    »Und warum sind Sie nach Paris gekommen?«
    »Wer weiß, vielleicht gelingt es mir, in Frankreich zu gründen, was sie in Amerika gegründet haben: eine Republik.«
    Gilbert schüttelte den Kopf. »Der Geist der Franzosen ist keineswegs republikanisch. Der König wird bleiben.«
    »Dann machen wir keine Republik, sondern eine Revolution.«
    Gilbert ließ den Kopf sinken.
    »Wissen Sie, wer die Bastille zerstört hat, Gilbert?«
    »Das Volk.«
    »Sie verstehen mich nicht: Fünfhundert Jahre lang hat man Grafen, Fürsten und andere große Herren in die Bastille eingesperrt; da kam eines Tages ein König auf den unsinnigen Einfall, den Gedanken in eine Zelle zu sperren. Der Gedanke hat die Bastille in die Luft gesprengt, und das Volk ist durch die Bresche eingedrungen.«
    »Das ist wahr«, sagte Gilbert.
    »Warten Sie nur, Gilbert, das ist erst der Anfang. Hören Sie, ich war vor drei Tagen bei einem sehr
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