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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin
Autoren: Peter Prange
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der Tod.«
    Amatus Lusitanus schüttelte den Kopf. »Kein Herz ist zu alt, um zu lieben«, sagte er und reichte ihr die Hand. »Vielleicht kann man den Fehler noch beheben?« Unsicher hob sie den Arm. »Meint Ihr?«
    Amatus Lusitanus nickte. »Reyna hat Euch verziehen - ich denke, jetzt könnt Ihr Euch auch verzeihen.« Behutsam nahm er ihre Hand. »Aber schaut nur, der Sabbat beginnt.« Während Gracia ihm zögernd ihre Hand überließ, schaute sie in den dämmrigen Himmel. Drei Sterne waren aufgegangen, blass blinkten sie am Firmament. Der Gott geweihte Tag war angebrochen, der heilige Tag, an dem die Herzen der Menschen in der Segensfülle des Herrn zur Ruhe gelangten. In der Dämmerung traten die Gläubigen aus ihren Hütten und Häusern, um sich am Ufer des Flusses zu waschen. Überall im Tal sah man die Kerzen und Lichter, die sie bereits vor Sonnenuntergang in ihren Wohnungen angezündet hatten, und während die Musik der Hochzeitsgesellschaft verstummte, ertönten aus der Synagoge die ersten Gesänge des Chasans, um Gott zu preisen. Ein leiser Wind strich über das Land und wehte den Duft des Paradieses herbei, den Duft von Datteln, Pinien und Orangen. Gracias Augen füllten sich mit Tränen. Alles schien sich zu erfüllen, wie der Prophet es vorausgesagt hatte, auf dem Praca do Rossio in Lissabon, vor vielen, vielen Jahren. Lind während ihre Glaubensbrüder in die Synagoge strebten, um miteinander den Sabbat zu feiern, war es, als würden die Fluten des Flusses stillestehen.
    Amatus Lusitanus drückte Gracias Hand. »Das alles haben sie Euch zu verdanken«, sagte er. »Auch wenn Ihr selbst nie Frieden gefunden habt, konntet Ihr den Menschen Frieden geben.« Gracia erwiderte den Druck seiner Hand. Ganz sauber und rein fühlte sich ihre Haut an, zum ersten Mal seit langer, langer Zeit. »Warum hast du mir nie gesagt, was du für mich empfindest?«, fragte sie leise.
    »Ihr sagt
du
zu mir?«, fragte er und zuckte mit einem verlegenen Lächeln die Schultern. »Ich hatte Angst, dass du mich zurückweisen würdest«, sagte er dann. »Das Feuermal auf meiner Stirn.«
    »Deswegen hast du dich geschämt?«
    Gracia schaute ihn zärtlich lächelnd an. Obwohl es schon dunkel war, sah sie, dass er ganz rot im Gesicht war. Ohne zu überlegen, ob es richtig war oder falsch, ob es Gottes Wille war oder einfach nur ihr eigener Wunsch, küsste sie ihn auf die Wange.
    »Wollen wir noch einmal von vorn anfangen?«
    Er erwiderte nichts, doch seine Augen sagten mehr als alle Worte.
    »Ach, Amatus.«
    Voller Liebe küsste Gracia ihn auf den Mund. Und das Versprechen, das sie ihm mit diesem Kuss gab, war ihr so heilig wie das Gesetz ihres Glaubens.
    Als ihre Lippen sich voneinander lösten, wandte sie sich wieder zum Tal und hob ihre Hände, um sich für den Segen zu öffnen. Und während ihre Lippen leise, fast lautlos, die alten, vertrauten Worte flüsterten, betete sie mit der ganzen Inbrunst ihres Herzens, hielt sie Zwiesprache mit ihrem Gott, den sie endlich wiedergefunden hatte.
     
    In der Dunkelheit des Tals aber, im Schatten eines uralten Christenklosters, das sich einen Steinwurf vor den Toren der jüdischen Siedlung erhob, beugte sich zur selben Zeit, unsichtbar für Gracias Augen, ein Franziskanerpater zu einem jungen Beduinen herab, um ihn an eine Verheißung zu erinnern, die unter seinen muslimischen Glaubensbrüdern seit Generationen überliefert war, eine Verheißung, die für einen Muslim bedrohlicher war als jede Dürre oder Plage, bedrohlicher als jeder Krieg: dass nämlich die Lehre des Propheten Mohammed, zusammen mit dem Glauben an Allah, für immer untergehen werde, wenn es dem Volk der Juden gelänge, die Stadt Tiberias in der Wüste Palästinas neu zu errichten.
    Und während aus den Häusern der Kinder Israels die Sabbatgebete zum Himmel aufstiegen wie die Rauchsäulen gottgefälliger Opfergaben, entzündete der Beduine mit Hilfe des Franziskaners eine Fackel, um Feuer gegen die Mauer der Siedlung zu schleudern - im Namen Allahs und des dreifaltigen Gottes ...
     

Dichtung und Wahrheit
    Gracia Mendes, geborene Nasi, mit christlichem Namen Beatrice de Luna, ist nicht nur eine überragende Gestalt der jüdischen Geschichte, sondern zweifellos auch eine der größten und bedeutendsten Frauen, die in Europa jemals gelebt haben. Dennoch ist sie nahezu unbekannt. Zwar taucht ihr Name im Laufe der Jahrhunderte immer wieder in der Literatur auf, aber selbst in Israel, so hat mir meine dortige Übersetzerin
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