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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin
Autoren: Peter Prange
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Scheitern seiner Ehe um ihretwillen wäre eine unvergessliche Schande.
    Doch andererseits ... Waren die Juden nicht die fleißigsten und geschicktesten Kaufleute und Handwerker im Land? Und verstieß es nicht gegen jede Staatsklugheit, so viele nützliche, fleißige und gewinnbringende Menschen zum Teufel zu jagen? Ihr Verlust wäre eine unheilbare Wunde für sein Reich. Dann würden die Juden, die ja schon das Rauschen eines Blattes erschreckte, wie ihr Lehrer Moses verkündet hatte, sich mit ihren Reichtümern und Fertigkeiten unter den Schutz der maurischen Fürsten begeben, um den verhassten Muslimen zu dienen, den mächtigsten Feinden der Christenheit.
    Die Stimme des Narren riss Dom Manuel aus seinen Gedanken.
    »Es gibt eine Lösung, Herr. Man muss nur das eine tun, indem man das andere nicht lässt.«
    Verärgert fuhr der König herum. »Jetzt ist keine Zeit für Spaße! Schweig still oder ...«
    Bevor der Stiefel ihn traf, kletterte Paco flink wie ein Affe den Stamm einer Eiche hinauf. Die Füße zuoberst, ließ er sich von einem Ast herabbaumeln, das Gesicht dem König zugewandt. »Es gibt eine Möglichkeit, Herr, das Land von den Juden zu säubern, ohne dass Ihr die Juden verliert.« »Wie soll das gehen, Narr?«
    »Ja mehr noch«, fuhr Paco fort. »Ihr könnt sie ausrotten, mit Stumpf und Stiel, ohne dass sie Euch den Dienst versagen.« »Willst du dich lustig machen, verfluchter Zwerg?« Dom Manuel hob den Arm, doch Paco schaute ihn aus so ernsten Augen an, dass er in der Bewegung verharrte. Das Greisengesicht in tausend Falten gelegt, schüttelte der Zwerg den Kopf. »Niemals würde ich wagen, Herr, Euch zum Narren zu halten. Ich möchte Euch nur helfen, den Wunsch Eurer allerkatholischsten Braut zu erfüllen, ohne dass Ihr Euch eine Blöße gebt.« Mit seiner knochigen Hand winkte er den König zu sich heran. »Wenn Seine Majestät mir Ihr gnädiges Ohr leihen möchte ...«

2
     
    Einer Feuersäule gleich, stand die Sonne am Himmel und sandte ihre Strahlen auf die Praca do Rossio herab. Von vier hohen Mauerwänden umgeben, herrschte auf dem menschenvollen, abgesperrten Platz eine Hitze wie in Nebukadnezars Feuerofen. »Was werden sie mit uns tun?«
    Philippa konnte kaum sprechen, so trocken war ihr Mund, und vor Schwäche wurde ihr immer wieder schwarz vor Augen. »Ich weiß es nicht, mein Kind«, erwiderte ihre Mutter. Philippa zupfte am Mantel ihres Vaters. »Werden sie uns zu den Eidechsen bringen?« Ihr Vater war der Rabbiner, er wusste alles.
    Aber ihr Vater hob nur die Arme. »Wir sind in der Hand des Haschern. Er wird über uns wachen. Gelobt sei sein Name!« Es war am Tage des Pessachfestes. Alle im Reich verbliebenen Juden, zwanzigtausend an der Zahl, waren wie Schlachtvieh im Geviert der Praca do Rossio zusammengepfercht, dem größten Platz der Stadt, wo sonst Reitturniere und Zirkusspiele stattfanden. Philippa und ihre Eltern hatten in der Synagoge gebetet, als die Schergen des Königs in das Gotteshaus eingedrungen waren, gerade in dem Augenblick, als der Chasan, der Kantor, vor den Thoraschrein trat, um das Kaddisch als Schlussgebet zu sprechen. Sie waren direkt von der Synagoge zur Praca geschleppt worden, zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Gemeinde. Drei Tage war das her. Drei Tage unter freiem Himmel, bei sengender Hitze in denselben Kleidern, drei Tage ohne einen Bissen Brot und fast ohne einen Schluck Wasser. Niemand hatte mehr die Kraft zu stehen. Die Alten und Kranken hockten an den Mauern im Schatten, die anderen lagen im Staub, schutzlos der Sonne ausgesetzt. Es stank nach Schweiß und Kot und Urin. »Ich habe solchen Durst«, flüsterte Philippa. »Ich kann gar nicht mehr schlucken.«
    Ihre Mutter strich ihr über den Kopf. »Denk an eine Zitrone und stell dir vor, wie du in sie hineinbeißt.«
    Während in der Nähe die Kirchenglocken von Santa Justa anschlugen, schloss Philippa die Augen. Tatsächlich, bei der Vorstellung sammelten sich ein paar Tropfen Speichel in ihrem Mund. Aber als sie ihn hinunterschluckte, spürte sie nur umso schlimmer die Leere in ihrem Magen. »Ich habe Hunger.«
    »Klage nicht, meine Tochter«, sagte ihr Vater. »Gott ist gerecht. Er wird für uns sorgen.«
    »Warum haben wir dann nichts zu essen und zu trinken?« »Denk an den Propheten Daniel. Mit Fasten hat er sich auf die Offenbarung vorbereitet.«
    »Ich habe solche Angst, dass sie uns zu den Eidechsen bringen.«
    Angeblich lagen in Beiern schon die Schiffe für sie bereit. Niemand
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