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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman
Autoren: Sybille Conrad
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früher wir hinüberkommen, desto besser.«
    Romuald blinzelte ihr zu. Kaum hatte der Schneesturm aufgehört, waren sie vom Pass hinunter in die Ebene gewandert, aber nicht weiter als Udine gekommen. Hohes Fieber hatte ihn ereilt, sechs Wochen lang hatte Aurelia ihn gepflegt, in einem Stübchen über einem Wirtshaus, wo die Drechsler der Stadt einkehrten.
    »Hast du’s auch warm genug?« Aurelia warf ihm eine Wolldecke über die Brust.
    »Wenn du bei mir bist, fürchte ich nichts.« Nicht mal den Schmerz, der in seinen Eingeweiden fraß. Er hatte ihr nicht gesagt, dass ihre Tränke nicht mehr wirkten. Nicht in Udine und nicht jetzt. Lieber hatte er von ihr alles erfahren, was sie während der langen Zeit ihrer Trennung auf sich genommen hatte.
    Romuald wandte den Kopf. Sie sollte die Tränen darüber nicht sehen, dass er ihr so wenig schenken und ihr nichts zurückgeben konnte außer seiner unendlichen Liebe. Dort, an den braungrasigen Schlamminseln der bleigrauen Lagune, dort musste er noch vorbei … Entschlossen blinzelte er die Tränen auf seinen Wimpern weg.
    »Der Steuermann fährt uns gleich bis an den Kai vor dem Palazzo, wo der Arzt Hof hält.«
    »Meine Aurelia …«, flüsterte er. Hoffst du noch immer? Romuald war so froh gewesen, dass er auf dem Weg an die Lagune, die er nur noch liegend in dem Ochsenkarren überstanden hatte, ein paar blühende Bäume gesehen hatte. Die zarten weißrosigen Blüten hatten einen Frühling verheißen, den er nicht mehr erleben würde, aber sein Kind. Mit ihm teilte er wenigstens noch den ersten Blütenduft.
    Romuald sackte ein wenig gegen Aurelias Schulter, er konnte es nicht verhindern. Er wollte keine Sorgenfalten mehr
auf ihrer klaren Stirn sehen, nicht jetzt, da sie als werdende Mutter noch schöner war denn je.
    Sie streichelte ihn an der Wange. Mühsam griff er nach ihrer warmen Hand und drückte sie voll Dankbarkeit an sein Gesicht.
    Plötzlich hörte er die Stimme des Heiligen Johannes wieder, ganz leise, hinter dem flirrenden Chor der Engel. Romuald schob die andere Hand unter der Wolldecke hervor und legte sie auf Aurelias schwellenden Bauch. Noch einmal wollte er ihr so nah sein, bevor er ging.
    Er spürte ihren Herzschlag, so fest wie die Mutter Erde, die ihn getragen hatte, so gleichmäßig wie der Lauf der Sonne.
    Ein Licht gleißte in seinem Innern auf, verströmte sich und wurde bunt. Er sah … sah Dinge, Menschen. »Aurelia, höre mich an.« Er schaute auf ein inneres Bild, dessen Schönheit ihn ganz erfüllte.
    »Oh Gott, was ist mit dir? Du glänzt ja vor Schweiß, deine Lippen sind …«
    »Aurelia, höre mich an«, flüsterte er. Sie sollte sich nicht mehr sorgen mit Tüchlein und Schwamm. »Dort in der Stadt soll unsere Tochter geboren werden. Sie wird meine Augen haben und dein Haar. Schütze unser Kind in dem Palazzo, in dem sie aufwachsen wird.«
    »Was redest du nur? Nein, du wirst …« Sie umschlang seinen Leib, und ihre Worte verklangen an seinem Hals.
    »Die Kunde von deinem Wissen um das Goldmachen wird bald zum mächtigen Dogen dringen. In Seide gehüllt, von Perlen geschmückt werden die Herren um dich buhlen. Unser leuchtendes Kind … Nenne sie Aurora.« Das Angesicht seiner Tochter wurde kräftiger, die Bilder wandelten sich immer schneller, er sah Kronen, Schwerter, Blut und ein Volk in fremden Ländern, das sich vor ihr in den Staub warf. »Sie wird dereinst mit deiner Hilfe Großes erreichen.« Die Bilder verblassten,
bis Romuald nur noch das Gesicht Aurelias sah. »Sei bedacht. Erinnere dich meiner, denn Verrat und Missgunst kreuzen euren Weg.«
    Aurelia versuchte ihm ein Lächeln zu schenken, doch Tränen rannen über ihre Wangen. Endlich hatte sie verstanden.
    »Bleibe immer die du bist.« Rotgolden umfloss ihr Haar das Haupt, das er so gern berührt und geküsst hatte. Er streichelte mit den Fingerspitzen ihre Wange, die zarte Haut, bis ihr Gesicht mit dem Himmel über ihnen verschwamm. Heller, immer heller wurde das Licht, laut und lauter hörte er den Gesang der Sphären, von weit oben rief ihn die Stimme des Herrn … Komm mein Sohn, die Ewigkeit ist dein …
     
    »Nein!« Aurelia schüttelte seinen Leib. »Du darfst nicht sterben.« Doch sein Blick, eben noch so klar, richtete sich in weite Ferne und brach. »Romuald!«
    Sein Kopf fiel schwer auf ihren Schoß. In seinem Gesicht stand ein seliges Lächeln.
    Es durfte nicht sein, das konnte nicht sein! Aurelia riss seine Jacke und das Hemd auf, presste die Hand auf seine
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