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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman
Autoren: Sybille Conrad
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über den tief verschneiten Hof. Ein Schindeldach reichte weit vom niedrigen Pilgerhaus herunter. Die schlichte Kapelle war aus grauen unbehauenen Granitsteinen gebaut. Schon seit Jahrhunderten empfing sie hier auf der Passhöhe die Pilger, damit sie Gott um einen sicheren Gebirgsübergang anflehen konnten. Die verwitterte Tür hielt immer noch dem Winter stand, so grob und dick waren die Baumstämme, aus denen sie einst gezimmert worden war.
    In der niedrigen, rußgeschwärzten Kapelle leuchteten nur die drei Kerzen am Altar.
    Gut zehn Männer, ein reicher Kaufmann aus Padua im rot gefärbten Fehmantel, drei Küfer auf dem Weg ins Reich und ein paar arme Knechte in halben Lumpen ohne Herr, versammelten sich. Nicht einmal Bänke gab es. Zwei junge Frauen im groben Wollmantel der Bergler hielten sich ängstlich hinter dem Rücken eines Bauern, der unter dem schmalen Fenster stand.
    »Kommt gleich zu mir, meine Kinder«, winkte der Priester Aurelia und Romuald nach vorn an den Altar. Sein Bart war
schütter und weiß wie der Schnee vor der Tür der Steinkapelle. Der gefütterte graue Mantel schleifte auf dem Boden. Aurelia hatte noch niemals einen so alten Mann gesehen. Gerade stand er, ohne Stock, nur die Schultern waren ein wenig nach vorn gekrümmt. Sein Gesicht hatte kaum noch Fleisch, so deutlich standen die Wangenknochen über dem zahnlosen Mund. Er mochte weit über achtzig sein. Doch in den braunen Augen leuchteten noch immer Lebendigkeit und Mut.
    »Hier sind wir, Vater.« Romuald nahm Aurelia bei der Schulter und sah sie liebevoll an. »Wir wollen den heiligen Bund eingehen.«
    »So beugt euch vor dem Zeichen Gottes.«
    Aurelia hob den Saum ihres Fellmantels. Mit dem Blick auf das Kreuz verneigte sie sich vor dem Priester. Romuald fiel einfach auf die Knie und nahm ihre Hand.
    »Willst du, mein Sohn Romuald, diese Frau vor Gott zu deiner machen?«
    »Ja«, antwortete er rau.
    So froststarrend die Steine der Kapelle waren, Aurelia fühlte die wundersame Wärme, die von den knochigen Fingern des uralten Priesters ausströmte, als er seine Hand auf die ihren legte.
    »Willst du, Aurelia, diesen Mann vor Gott zu deinem machen und ihm für immer folgen?«
    In Romualds grünen Augen lag eine unendliche Sanftmut. Aurelia hauchte die Worte nur. »Ja, ich will.«
    »So erhebt euch als Mann und Frau und ehret unseren Gott.«
    Die Leute bekreuzigten sich.
    » Ehre sei dem Allmächtigen …«, stimmten die Pilger an.
    Aurelia hielt Romuald an der Hand. Sie schwiegen einfach, unfähig jeder Worte. Was sie hätten sagen wollen, wusste der andere ohnehin längst.

    Ein Husten Romualds brach schließlich den Zauber. Aurelia betete, dass die Passwege bald wieder gangbar würden. Bis zu den Städten der Lombardei war es noch weit.
    »Komm, Frau, ein wenig Käse und Wein wartet auf uns.« Romuald legte seinen Arm um ihre Schulter, küsste sie mit heißen Lippen auf ihre kalte Wange und Aurelia vergaß einfach alle Sorgen. »Lass uns als Dank dem Priester und dem lieben Gott etwas spenden.«

68
    R omuald stützte sich schwer auf die Arme des hochge- wachsenen kahlen Steuermanns, der ihm im Dämmerlicht in die Gondel half. Seine Knie gaben schon nach, bevor er den Sitz erreicht hatte.
    »Ich halte dich!« Aurelia packte ihn beim Gürtel.
    Sie ließen ihn auf die Seegrasmatte hinab. Romuald biss mit aller Macht die Zähne zusammen. Der brennende, stechende Schmerz in seinen Lungen raubte ihm immer öfter Luft und Sinne. Seit Tagen schon wirkten die Tränke nicht mehr, die Aurelia noch in Udine besorgt hatte, als er das erste Mal zusammengebrochen war.
    »Du hast es bald geschafft. Der berühmte Arzt As-Saban ist drüben in der Stadt, er wird uns empfangen. Unser Gold reicht noch lange.«
    Romuald nickte nur. Aurelia sorgte für ihn. Noch immer glaubte sie an seine Heilung, wo er doch von Tag zu Tag mehr verfiel. Aber er würde bis zum letzten Atemzug darum kämpfen, das Glück in ihren Augen spiegeln zu sehen, ihr keckes Lachen zu hören und ihr weises Lächeln zu genießen, wenn er ihr über den Bauch strich, der sich langsam rundete um sein Kind.
    Der kahle Steuermann warf im trüben Licht des Morgengrauens ihre Bündel nach vorn in die Gondel. Auf ein Zeichen Aurelias hin stieß der düstere Mann am Steg ab und griff zur Ruderstange. Es war Romuald, als sähe er für einen winzigen Augenblick eine Sense aufschimmern, als der Steuermann der Gondel Schwung gab.

    »Es ist so kalt auf der Lagune.« Aurelia fröstelte. »Aber je
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