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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman
Autoren: Sybille Conrad
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»Wir werden deiner Mutter schreiben, wenn wir im Süden am Meer ein Haus gekauft haben.«
    »Du willst in die Lombardei?«
    »Hierzulande gibt es zu viel Krieg. Ich habe genug Blut gesehen.«
    »Ich auch.« Er beugte sich tief zu ihr herab und küsste sie sanft. »Ich geh mit dir, wohin du willst. Ob Norden oder Süden, ist mir gleich.«

67
    V or dem Fensterchen des Pilgerhauses fiel der Schnee. Die Flocken tanzten vom weißen Himmel herab den steilen Pass hinunter und verbargen das Tal vor Aurelias Blick. Bald würden die Tannenwälder im weißen Meer untergehen. Sie zog den Kragen des Pelzumhangs enger, auch wenn das Feuerchen im grob gemauerten Kamin lustig prasselte.
    Die groben Bretter der Stubendecke hätte sie fast mit ausgestrecktem Arm berühren können, die Wände aus grobem Feldstein bedeckten schwere graue Filzmatten.
    Romuald hustete leise auf dem Strohlager. Er ruhte sich noch ein wenig aus, bis sie in die Kapelle gingen. Seine runden Schultern, das kräftige Knie auf dem Wolltuch, friedlich schlummerte er dort in den Decken … Aurelia dankte dem Himmel dafür, dass sie niemand mehr hatte trennen können, seit sie der Belagerung Wiens entkommen waren.
    Sie stand einfach am Fenster und sah Romuald beim Atmen zu. Lange hatte sie das Husten für die Nachwehen der vielen Rauchfeuer gehalten, mit denen er sich in die Räusche der Hexenkräuter geflüchtet hatte. Sie hatte es nicht sehen wollen, dass sein Leib schon nicht mehr nach den Dünsten gegiert hatte, kaum dass sie den Fischerkahn hinter Schwechat wieder verkauft und sich als Weinbergsleute verkleidet hatten.
    Draußen wurde das Schneetreiben dichter. Wieder half ihnen der Himmel. Romuald würde hier rasten können, sie würde die Kammer heizen wie die Kemenate der Kaiserin. Die Edelsteine hatte Aurelia im Saum ihres Kleides eingenäht. Das Gold aus ihrem Erlös würde noch reichen, um die besten
Ärzte zu bezahlen, die sie auf der anderen Passseite drunten in den Städten der Lombardei finden konnten.
    Romuald hustete trocken. Ein schmerzvolles Zucken huschte über seine stoppelige Wange, als seine Hand schlaff auf den Aufschlag des braunen Wolltuchs rutschte.
    Sein so fester Leib und seine Lendenkraft waren noch ungebrochen, doch trotz aller Lust spürte Aurelia seine Anstrengung. Sein Frohsinn auf den Wanderschaften hatte schlecht verschleiert, dass er Schmerzen vor ihr verbarg. Sie sah es eben doch, wenn er heimlich die Hand unter die Rippen presste.
    Trotzdem hatte sie lange nicht erkennen wollen, was die Zeichen bedeuteten.Aurelia unterdrückte einen Klagelaut, der ihr über die Lippen kommen wollte. Sie durfte Romuald nicht wecken. Doch die Wahrheit stand jeden Tag mehr in seinen hohlen Wangen eingeschrieben. Die Auszehrung fraß in ihm. Mehr als einmal hatte er seinen Teller nicht geleert, wie wohl sie viele Stunden die Passstraßen hinaufgewandert waren.
    Aurelia streichelte ihn mit ihrem Blick. So viele Wochen voll Wonne lagen hinter ihnen, so viele heitere Tage an seiner Seite in dem Weinberg am See bei Ödenburg, wo sie zwischen einfachen Landleuten die Reben geschnitten hatten, bis die Landstraßen wieder von des Kaisers Heerleuten frei waren. Eines der fröhlichen Lieder klang in ihrem Innern auf: Mein Freund, der baut auch eine Kelter, die war wunderschön, wunderschön. In dieser ausgegrabenen Kelter, da kann man Trauben pressen gehen.
    Sie hatten in der Sonne geschwitzt, bei den Festen getanzt, sich in den Nächten geliebt, nach einem schlichten Mahl aus Käse und Brot. Sie waren zu zweit eins geworden.
    Hinter dem Pilgerhaus läutete die Glocke der Kapelle. Aurelia ging zum Lager und setzte sich auf den Rand. Im Halbschlaf griff Romuald nach ihr.
    Aber die Zeit der Weinfeste war vorbeigegangen, der Krieg zu Wien hatte jäh geendet, weil Herzog Albrecht, der Bruder
des Kaisers, kurz vor Weihnachten überraschend gestorben war. Die Scharen der entlassenen Landsknechte hatten sich mit einem Schlag wieder ins Land ergossen und Felder, Straßen unsicher gemacht. Romuald hatte es vorgeschlagen, und sie hatte eingewilligt:Als Pergamenthändler getarnt hatten sie sich auf den Weg zum Pass bei Görz gemacht.
    Wieder läutete die Glocke der Kapelle. Aurelia beugte sich vor und küsste Romuald aufs Ohr.
    Er brummte wohlig und schlug die grünen Augen auf. »Ist es so weit?«
    Sie strich ihm über die Wange. »Lassen wir den Priester nicht warten.«
     
    Sie stapften mit den wenigen anderen Pilgern, die zu Sankt Silvester unterwegs waren,
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