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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin
Autoren: Iny Lorentz
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aufschieben. Er verließ seinen Platz am Fenster und folgte Alisio nach unten.
    Seine Eltern standen auf dem Treppenabsatz über der Eingangshalle und starrten sichtlich verwirrt auf die Fremden, die am Fuß der Treppe warteten. Als Erstes entdeckte Orlando eine junge, breit gebaute Frau mit einem etwas derben Gesicht, die ein ebenso schlecht sitzendes Kleid trug wie ihre zierliche Begleiterin, die sich ängstlich an sie klammerte. Hinter ihnen tauchten eine ebenso verschreckt wirkende, ältere Frau auf und zwei Männer, von denen Orlando von seinem Standort aus jedoch nur die Beine sehen konnte.
    Sein Vater warf ihm einen fragenden Blick zu. Orlando zuckte irritiert mit den Schultern. Inzwischen hatten auch Baramosta und dessen jüngere Tochter die Halle betreten. Bianca warf nur einen Blick auf die Besucher und stieß einen Jubelruf aus. Zu Don Manuel gewandt zeigte sie auf einen der Männer. »Das, Onkel, ist Don Léon de Santiago, unser Retter!«
    Orlando riss es beinahe von den Füßen. Ungläubig stürmte er die Treppe hinab und sah Lea mitten in der Halle stehen. Sie trug immer noch die kleidsame Tracht eines kastilischen Edelmanns. Einen Moment starrte er sie fassungslos an. »Bei Gott, Lea! Du bist es wirklich.«
    Er riss sie an sich und presste seinen Mund auf ihre Lippen. Lea wusste nicht, wie ihr geschah. Einen Moment lag sie regungslos in seinen Armen und kämpfte gegen das Chaos aus Gefühlen an, die sie überfluteten. Während sie versuchte, sich auf den Beinen zu halten, die unter ihr nachzugeben drohten, begriff sie erst, dass er sie mit ihrem richtigen Namen angesprochen hatte.
    Orlando spürte Leas Widerstreben, aber auch eine ihr wohl selbst nicht bewusste Bereitschaft, sich seinen Umarmungen hinzugeben, und jubelte auf. »Mein Liebes! Jetzt hast du mir zum zweiten Mal das Leben gerettet.«
    Dann drehte er sich zu seinen Eltern um, die sich in Salzsäulen verwandelt zu haben schienen und ihn entgeistert anstarrten. Bianca kreischte auf, warf Orlando einen giftigen Blick zu und machte eine Bewegung, als wollte sie ihren Léon de Saint Jacques aus seinen Armen reißen.
    Orlando schob Lea auf seine Eltern zu. »Das ist Lea Samuel Goldstaub, das mutigste und beste Mädchen der Welt und die einzige Frau, die ich heiraten werde!«
    Für einen Augenblick war es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Dann redeten alle durcheinander. Orlando hob abwehrend die Hand. »Lasst unsere Gäste sich doch erst einmal frisch machen. Ich werde euch später alles erklären. Dir auch, mein Schatz.« Er küsste Lea noch einmal und gab sie dann frei.
    Sie musterte ihn kopfschüttelnd und begann dann zu lachen.
    »Das bist du mir auch schuldig, du hinterhältiger Kerl! War ich so unvorsichtig, dass du mich durchschaut hast?«
    Ihre eher komische Empörung veranlasste Orlando zu einem beinahe mädchenhaften Kichern. »Das warst du gewiss nicht. Aber weißt du, mir ist vor sechs Jahren euer Saul in Worms über den Weg gelaufen und hat geplaudert.«
    Lea schnappte nach Luft. »Vor sechs Jahren? Willst du damit sagen, du hast die ganze Zeit gewusst, wer ich bin?«
    Als er nickte, holte sie mit der Hand aus. »Du bist ein Schuft! Ein widerwärtiger Heuchler, ein …«
    Orlando hielt ihr die Wange hin. »Schlag zu, Lea. Ich habe es verdient.«
    Lea starrte ihn zweifelnd an und ließ ihre Hand wieder sinken.
    »Wir beide reden noch miteinander.«
    Es klang nicht nach einer Drohung.
    Inzwischen hatte Doña Léonora sich wieder gefasst, wenn sie auch noch sehr blass wirkte. Ohne Lea aus den Augen zu lassen, stieg sie die Treppe hinunter und trat auf sie zu. Das kurze Haar und die Männerkleidung irritierten sie offensichtlich, forderten aber auch ihre Neugier heraus. Sie ging um Lea herum, packte sie dann am Arm und zog sie mit sich auf den Gang zu, der zum Waschraum führte.
    »Du wirst dich gewiss säubern wollen. Alisio, sage deiner Frau, sie soll heißes Wasser in die Waschstube bringen.« Während der Diener in Richtung Küche verschwand, führte Doña Léonora Lea in einen schlichten Raum mit einem Steinfußboden und gekachelten Wänden. Ein steinerner Trog mit kaltem Wasser, eine Kupferwanne und mehrere Schüsseln und Kannen auf einem Bord deuteten darauf hin, dass hier nicht nur Wäsche gewaschen wurde. Lea hatte sich kaum umgesehen, da schleppte eine kleine, dickliche Frau mit runden Wangen und schwarzen Knopfaugen einen Holzeimer mit dampfendem Wasser herein.
    »Bleib hier, Elmira, und hilf mir,
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