Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Israels«, sagte Doña Léonora, die einen Teil des Gesprächs gehört hatte.

8.
    Die nächsten Monate wurden für Lea zur Qual. Während ihre Schwangerschaft fortschritt, beschäftigten sich ihre Gedanken mehr mit Orlando als mit ihrem ungeborenen Kind, und immer wieder musste sie gegen die Furcht ankämpfen, er könne sich zu weit vorwagen und selbst ein Opfer Holzingers werden. Um sich abzulenken, stürzte sie sich in die Arbeit und saß Tag für Tag von Sonnenaufgang bis zur Dämmerung an ihrem Schreibtisch und lenkte die Geschicke des Handelshauses Fischkopf. Doch sie konnte sich nicht so recht über ihre Erfolge freuen, und das Lob ihres Schwiegervaters war ihr nun eher lästig, denn sie wollte nur über Orlando sprechen, ganz gleich, ob sie zur Abwechslung einmal Doña Léonora bei der Vorbereitung für ein besonderes Festmahl half oder ihren Schwiegereltern bei den Mahlzeiten Gesellschaft leisten musste.
    Sie machte ihre Schwiegermutter so nervös, dass diese sie zuletzt nicht mehr aus den Augen ließ, aus Angst, Lea könne doch noch auf die Idee kommen, Orlando nachzureisen. Sarah und Ketura teilten die Befürchtungen der Hausherrin und halfen ihr ebenso wie Gomer, die seit kurzem mit Jochanan verheiratet war, Lea unauffällig im Auge zu behalten.
    Als der Sommer sich neigte, war Lea immer noch ohne Nachricht. In ihren Träumen sah sie Orlando sich in Flammen winden und hörte seine Todesschreie. Die Bilder verfolgten sie auch noch im Wachen, und sie betete beinahe stündlich, dass ihr Kind nicht vaterlos aufwachsen möge.
    Anfang September saß Lea wie gewohnt in ihrem Arbeitszimmer, obwohl ihr aufgewölbter Leib ihr das Schreiben schwer machte. Als das Kind sie besonders heftig trat, stand sie auf und presste die Hände gegen ihren schmerzenden Rücken. In dem Moment drang jener Lärm zu ihr hoch, der gewöhnlich Besucher ankündete.
    Sie holte tief Luft, verwünschte die Störung, watschelte aber dennoch zur Tür und blickte neugierig hinaus. In dem Moment kam Orlando die Treppe hinauf. Er stürmte auf sie zu, umarmte sie aber so vorsichtig, als bestände sie aus hauchfeinem Glas, und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen.
    »Wie du siehst, bin ich doch noch vor der Geburt unserer Tochter zurückgekommen«, sagte er und streichelte dabei ihren Leib. Leas Lippen zuckten. »Ich hoffe, du bist nicht allzu enttäuscht, wenn es doch ein Sohn wird.«
    Dann klammerte sie sich an ihn, als wollte sie ihn nie mehr loslassen, und fragte ihn ängstlich: »Hast du Elieser und Rachel noch retten können?«
    Die Art, wie sie es sagte, verriet Orlando, dass ihre Liebe ihm auch einen Fehlschlag verzeihen würde. Er kitzelte sie mit der Nasenspitze unter dem Ohrläppchen, was seine Antwort nicht verständlicher machte. »Ich habe sie und alle anderen Juden rechtzeitig aus Hartenburg weggebracht. Da Ernst Ludwig von Hartenburg kaum eine seiner Zusagen Ruben ben Makkabi gegenüber eingehalten hatte, gab es außer deinen Verwandten dort nur die beiden Kleinhändlersippen, von denen wir schon gehört hatten.«
    »Hattest du größere Probleme?«
    Orlando konnte Lea ansehen, dass sie jede Einzelheit erfahren wollte. »Ganz und gar nicht. Ich brauchte nur noch die Flucht zu organisieren, denn die Leute waren schon vorgewarnt, und zwar durch deine Schwester. Rachel hat ein Gespräch zwischen ihrem markgräflichen Liebhaber und dessen Sekretär Frischler belauscht, in dem die beiden ehrenwerten Herren beschlossen, sie ebenso wie die anderen Juden Holzinger zu überlassen. Ich traf sie und die Oberhäupter der beiden anderen Familien bei deinem Bruder an, gerade als sie ihre scheinbar hoffnungslose Situation beklagten. Die markgräflichen Gardisten hatten zwar den Befehl, die Juden an der Flucht zu hindern, aber ich fand einen Torwächter, der goldenen Argumenten zugänglich war und mir half, die Leute einzeln aus der Stadt zu schmuggeln. So brauchte ich die Flüchtlinge nur noch draußen zu sammeln und auf dem gleichen Weg aus dem Land zu führen, den du damals genommen hast. Bis der Markgraf feststellen konnte, dass ihm seine Juden abhanden gekommen waren, befanden wir uns bereits auf habsburgischem Gebiet. Ich möchte nun nicht in seiner Haut stecken, denn der gute Ernst Ludwig wird seiner Gemahlin und Holzinger einiges zu erklären haben. Die beiden dürften annehmen, dass er die Leute selbst gewarnt und fortgeschickt hat.«
    Anders als Orlando konnte Lea keine Schadenfreude empfinden. »Ich wünsche allen dreien die Pest an den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher