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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile
Autoren: Martin Cruz Smith
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gesagt: »Ich habe genug davon, auf den Weltfrieden zu trinken. Wie wär's mit dem Weltkrieg?«
    Auf den alten Hurensohn.
    Arkadi leerte das Glas in einem Zug. Die Wärme durchströmte ihn wie Wasser, das über einen Kronleuchter rieselt. Er goss sich noch ein Glas ein und legte einen vernickelten Revolver auf den Tisch. Viktors Waffe, ein glänzender .3 57er Magnum. Eine Kanone.
    Sein zweiter Trinkspruch war: »Gott ist ein Hund. Ein Hund ist Gott. Ein Hund ist Scheiße. Gott ist Scheiße. Du bist Scheiße.«
    Eine Stimme auf der Treppe sagte: »Renko, endlich.« Die achtzehn Minuten waren um.
    »Dann zeigen Sie sich«, sagte Arkadi. »Kommen Sie herauf.«
    »Moment. Ich möchte Ihnen sagen, wie leid es mir wegen Ihrer Freundin Anja Walidowa tut. Erst sechsundzwanzig Jahre alt. Mannomann - einfach umgefallen, heißt es. In den Nachrichten ist es nicht gekommen, aber die Leute hören etwas und missdeuten es, und wenn sie emotional aufgewühlt sind, tun sie Dinge, die sie nachher bereuen. Also schießen Sie nicht.«
    »Sie sind mein Gast.«
    Sergej Borodin war kleiner, als Arkadi erwartet hatte. Eher geschmeidig als muskulös, ohne Hemd, aber in einem weißen Anzug und mit breitem Lächeln. Etwas Elektrisierendes lag in seinem Blick, und seine Hände waren wie bei einem Taschenspieler ständig in Bewegung. Beim Näherkommen breitete er die Arme aus, als wollte er abheben. Arkadi sah eine flüchtige Ähnlichkeit mit dem Jungen, den Borodins Mutter im Leichenschauhaus als Sergej Borodin identifiziert hatte. »Verbrennen Sie ihn!« Kein Wunder.
    »Wer war der Junge im Leichenschauhaus?«, fragte Arkadi.
    »Ein Freund.«
    »Hatte er einen Namen?«
    »Georgi.«
    »Keinen Nachnamen?«
    »Ich erinnere mich nicht. Er war sowieso im Eimer. Ein sehr negativer Typ. Ich glaube, alles, was man sich visuell vorstellen kann, kann man auch tun.«
    Arkadi wusste nicht, wie er sich Sergej Borodin vorgestellt hatte. Zumindest als Ungeheuer.
    »Nehmen Sie Platz. Macht es Ihnen Spaß, im Club an diesem Draht zu schwingen?«
    »Es ist phantastisch. Und die Chinesen, die den Draht steuern, sind wirklich gut. Vielleicht drehe ich demnächst einen Film mit ihnen.«
    »Sie haben vier Frauen ermordet, von denen ich weiß. Wie kommen Sie auf die Idee, dass Sie Filme drehen werden?«
    »Sehen Sie? Das meine ich mit negativ.«
    »Vermutlich. Lassen Sie mich raten. Heute Abend waren Sie in >Scheherazade<.«
    »In >Petruschka<.«
    »Petruschka, der Clown. In der Rolle habe ich Sie gesehen. Sie waren sehr gut.«
    Arkadi legte den Revolver auf den Tisch und wandte sich ab, um ein zweites Glas aus dem Schrank zu nehmen. Im Spiegelbild der Scheibe sah er, wie Sergej nach der Waffe greifen wollte und dann wieder zurückwich.
    »Sie können es versuchen«, sagte er.
    »Verstehe. Die Waffe ist nicht geladen.«
    Arkadi goss ein randvolles Glas Wodka für Sergej ein. »Prost.«
    Sie leerten die Gläser in einem Zug. Als Arkadi wieder Luft bekam, klappte er die Trommel des Revolvers heraus und ließ fünf dicke Messingpatronen in die flache Hand fallen.
    »Scheiße!« Sergej lachte über sich selbst.
    »Eine einzige davon stülpt Ihren Kopf nach außen«, sagte Arkadi. »Ihre Mutter soll hereinkommen. Sie braucht nicht draußen im Hausflur herumzustehen.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Oder ich schieße Ihnen in den Fuß.«
    »Halt!«
    Borodina kam hereingeschwebt, herrisch und braun gebrannt. Zwischen ihrem Leder und ihrer Haut war kaum ein Unterschied. Sie hätte eine großartige Pharaonin abgegeben, eine von denen, die Pyramiden forderten.
    Arkadi schenkte ihr ein großzügig bemessenes Glas Wodka ein.
    »Kommen Sie. Jetzt sind wir fast eine Familie.«
    Sie sah auf die Uhr. »Hoppla, ich glaube, soeben ist Ihre Zeit um. Ich weiß nicht, was Sie vorhaben, Renko, aber Sie sind kein Ermittler mehr. Sie haben alle Ihre Befugnisse verloren. Denken Sie an die vielen Feinde, die Sie haben. Kein Wunder, dass Sie sich an die Gesetze halten müssen.«
    »Tatsächlich ist es umgekehrt«, sagte Arkadi. »Jetzt, da ich kein Ermittler mehr bin, brauche ich mich an überhaupt kein Gesetz zu halten.«
    »Ihre Verleumdungsklage ist ein Witz«, sagte Borodina. »Sie klagen im Namen Nijinskis, eines Mannes, der seit sechzig Jahren tot ist?«
    »Er hat immer noch einen schützenswerten Ruf. Sergej als den neuen Nijinski zu bezeichnen, ist beleidigend und rufschädigend, und wir verlangen Unterlassung. Außerdem habe ich gesehen, wie Sie im Leichenschauhaus den
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